Montag, Juli 27, 2009

Mr Motter


Schon seit Jahren trage ich die fixe Idee mit mir herum, mir mal ein Harris Tweed-Jackett anzuschaffen. Ich mag Dinge, die scheinbar ewig halten, Gegenstände, von denen man weiss, dass sie in fünf, zehn Jahren ihren eigentlichen Wert offenbaren. Doch das Design der Stoffe für Tweed-Sakkos ist ziemlich altbacken.

Ausserhalb Londons ist England modisch eine Wüste. Die Männer tragen zu dieser Jahreszeit Jeans und T-Shirts und zur Abwechslung mal ein T-Shirt und Jeans. Die Frauen, nun ja, wer deren Modegeschmack mal in voller Länge geniessen möchte, sollte unbedingt nach York. Wir haben noch nie in unserem Leben derart viele wirklich, wirklich geschmacklos gekleidete Frauen gesehen, quer durch alle Altersschichten.

Wie soll ich das am besten beschreiben. Vielleicht so: eine echte modische Herausforderung ist für eine Frau die Hochzeit der Schwester oder der Freundin oder der Tochter. Wer sonst als eher graue Maus durchs Leben wandelt, meint, bei dieser Gelegenheit sich besonders herausputzen zu müssen. Das Ergebnis ist zumeist ziemlich schrill.

So ist das am Abend in York, wenn sich die Touris verzogen haben. Du hast das Gefühlt, die seien alle unterwegs zu einer Hochzeit oder zu einer Taufe. Wobei vielleicht das Attribut „nuttig“ noch beigefügt werden kann, weil der Begleiter als Kontrast, richtig, T-Shirt und Jeans. Weil wir hier über Mode schreiben, erwähnen wir die Trinkgewohnheiten hier in England jetzt mit keinem Wort.

Diese etwas zugegeben lange Einleitung war deshalb nötig, weil wir an unserem ersten Nachmittag in Edinburgh diesen wirklich bemerkenswerten Laden von Mr Motter in der Jeffrey Street entdeckt haben: Corniche. Hier wird nun Mode angeboten, wie man sie sonst nur in Zürich und London findet: Vivienne Westwood, Anglomania, Rundholz (schwer im Kommen), Girbaud und für Männer Nigel Cabourn.

45 Prozent seines Umsatzes macht Mr Motter Online: „Wir verkaufen in die ganze Welt.“ Und der Rest bringen Touristen und die Eingeborenen, es gibt ja durchaus Schotten mit Geld und Geschmack, so ist es ja auch wieder nicht.
Und um dieser erstaunlichen Entdeckung noch eins drauf zu setzen: Der Laden von Mr Motter wurde kürzlich zum UK Designer Store des Jahres erkoren.

Was mich zurück zu meinem eingangs erwähntenHarris Tweed bringt. Nigel Cobourn, ein wirklich bemerkenswerter englischer Designer, verarbeitet diese Stoffe zu Sakkos, die sich sehen lassen können. Ich konnte deshalb nicht widerstehen, auch wenn diese Stücke ihren Preis haben. Dafür hält es ewig.

Wir fahren heute weiter nach Aberdeen.

2 Kommentare:

  1. Endlich einer der das genauso sieht wie es ist in UK - geschmacklos angezogene Frauen aller Altersschichten, die wie Nutten ausschauen, und Männer die daherkriechen. Schlimm. Bin Brite, 19 Jahre in Deutschland gearbeitet, nun berufsbedingt in Edinburgh.

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  2. Dear Mr. Appleton, ich kann ein klein wenig verstehen, was Sie meinen, habe ich doch gut anderthalb Jahr in Glasgow gelebt und gearbeitet... Dennoch möchte ich Ihrer Tirade einige Dinge entgegenhalten:
    - Die britische countryside und Küste (inklusive der Menschen, die dort leben)
    - Britische Autoren, Zeitungen und die BBC
    - Die schottischen Highlands und Islands
    - Wirklich gute Fish & Chips mit einem Real Ale an einem Sommerabend in North Berwick

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