Mittwoch, Juli 29, 2009

Mit Tempo durch Europa

Eurostarlok-Look

Eine Erkenntnis habe ich in diesen bisher drei Wochen gewonnen: In Europa wächst ein Hochgeschwindigkeitseisenbahnnetz heran, welches die Art des Reisens auf dem alten Kontinent revolutionieren wird.

Nehmen wir beispielsweise die Strecke, die wir heute von Brüssel nach Kölngefahren sind. Zwar wird diese Strecke, wie in einem Informationsblatt zu lesen war, erst im Oktober offiziell eröffnet. Doch schon jetzt verkehren die Hochgeschwindigkeitszüge der Deutschen Bahn mit 250 km/h zwischen den beiden Metropolen. Ganze 111 Minuten dauert die Fahrt und man ist damit gut eine halbe Stunde schneller als mit einem üblichen Schnellzug.

Die Nase vorn haben mit rund 1'500 Kilometer Zugrennstrecke übrigens die Spanier. Bis in einem Jahr will das Land das längste Hochgeschwindigkeitsnetz der Welt haben. Ein deutscher Anwalt, der heute bei uns im Abteil nach Hamburg sass und seit Jahren in der Nähe von Malaga lebt, erzählte uns, dass er für geschäftliche Termine in Madrid nur noch den AVE nimmt: „Früher flog ich diese Strecke regelmässig.“ Kunststück, die spanischen AVEs fahren mit Tempo 350 von Stadt zu Stadt.

Der Vorteil: Man ist bei der Ankunft immer mitten in der Stadt und spart sich damit die zeitraubende Taxi- oder U-Bahnfahrt. Zudem muss man nicht langwierige Sicherheits-Checks über sich ergehen lassen.

Klammerbemerkung und Ausnahme: Eurostar, da ist es wie beim Flughafen. Ich musste meinen Koffer öffnen, weil auf dem Monotor mein Leatherman als verdächtiger Gegenstand gemeldet wurde. Der Mann in der Uniform hat mich gefragt, ob ich bestätige, dass das alles mir gehört - was mich ziemlich verunsichert hat, denn in dem Moment, als er mir diese saublöde Frage stellte, gingen mir alle möglichen Szenarien durch den Kopf und ich war ehrlich gespannt, ob er, als er alles was in diesem Koffer war, rausnahm, nicht doch eine Bombe fände.

Und wenn dann noch die Annehmlichkeiten der 1. Klasse, wie in England auf der Strecke London – Edinburgh und wieder zurück, dazu kommt, dann werde ich (endlich auch) zum Zug-Fan. Die "Times" und den Kaffee gibt's gratis und auf den Tischen bei jeder Sitzplatzgruppe hat es selbstverständlich auch Mineralwasser, gratis.

1. Klasseabteil des National Expresse der
zwischen London und Edinburgh verkehrt.

Die spanischen Neubaustrecken haben übrigens mit den bisherigen Breitspurstrecken nichts mehr gemein: Sie werden in der üblichen europäischen Norm von 1,43 gebaut. Die verschiedenen Bahnen verfolgen - auch aus politischen Gründen - unterschiedliche Geschwindigeitsphilosophien. Während die Franzosen und Spanier vor allem aufs Tempo drücken, will die DB lediglich die Durchschnittsgeschwindigkeit der Züge erhöhen. Denn in Deutschland halten die ICEs öfters als die Rennzüge in Spanien und Frankreich.

Die schnellen Reisezüge der Deutschen Bahn weisen denn auch unterschiedliche Motorisierungen auf. Für die Strecke Brüssel - Köln werden "GTI"-Modelle eingesetzt, auf anderen Strecken Locks, die weniger stark motorisiert sind und deshalb eine geringere Spitzengeschwindigkeit erreichen. Das drückt den Anschaffungspreis.

Die Eisenbahn, vor ein paar wenigen Jahren noch ein Auslaufmodell, erlebt in Europa dank den schnellen Zügen eine Renaissance. Wobei festzuhalten gilt, dass der Service in den spanischen und britischen Zügen hervorragend ist. Im Gegensatz zum „gewöhnlichen“ Schnellzug der DB, den wir von Köln bis Hamburg benutzen mussten. Die liessen sich über zwei Stunden Zeit, bis jemand nachgefragt hat, ob wir einen Kaffee oder sonst was haben möchten.

Einschub: Es stank im Wagen zwischendurch immer mal wieder nach verbranntem Gummi. Irgendwann kam dann die Durchsage, damit seien keine Gefahren verbunden. Die Deutsche Bahn verwende jetzt Biobremsbeläge (kein Scherz), deshalb der Geruch.

Japan weist gemäss einer Statistik ein Hochgeschwindigkeitsnetz von 2‘452 Kilometern auf. Dort fahren die Züge mit Spitzengeschwindigkeiten von 300 km/h. Für die Schweiz werden gerade mal 35 Kilometer ausgewiesen.

Übrigens: auf der Fahrt nach Köln sind wir auch an Lüttich vorbeigekommen. Die haben für die neue Zugrennstrecke auch gleich einen neuen Bahnhof gebaut. Es ist unübersehbar ein echter Calatrava. Wir werden irgendwann zur offiziellen Eröffnung erfahren, um wie viel Prozent er dieses Mal die Baukosten überschritten hat. Zumeist sind es zwischen 50 und 100 Prozent.

2 Kommentare:

  1. Wirklich modern waere ein Transrapidnetz auf dem 400-500 gefahren wuerde.

    AntwortenLöschen
  2. Anonym20:19:00

    Das Konzept der DB ist, möglichst viele Stopps, dafür eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit. Spanien will lediglich die grossen Städte miteinander verbinden. Frankreich auch.

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.