Sonntag, August 09, 2009

Das war's


Wir sind wieder zu Hause, nach vier Wochen Bahnfahrt quer durch Europa. Es war eine spannende, eine abwechslungsreiche Zeit und wie man so schön sagt: Die Reise erweiterte unseren Horizont.

Eines hat sich jedoch bestätigt: Europa ist und bleibt mein Lieblingskontinent. Wo anders kann man in nur zwei, drei Stunden Bahnfahrt von einer Kultur in eine völlig andere wechseln? Auch wenn, zugegeben, die uns allen bekannten Marken das Leben dieser Europäer von West nach Ost von Nord nach Süd entscheidend mitprägt.

Wirtschaftskrise
Überhaupt dieses Europa in der Wirtschaftskrise. Natürlich gibt es die. Und natürlich gibt es Unterschiede in der Lebensqualität. Barcelona, London, Hamburg, München, auch Budapest - die spielen selbstverständlich in einer anderen Liga. Aber für mich erstaunlich: York und Krakau sind vergleichbar, Edinburgh und Wrozlaw auch. Die Lebensverhältnisse haben sich in Europa in den letzten Jahren stark angeglichen, nach oben.

Und wir fragten uns: Was ist landestypisch, beispielsweise beim Essen. Die Auswahl an französischen Käsen ist in London, München und Hamburg, aber selbst in Budapest (fast) genau so reichhaltig wie in Bordeaux. Wobei die regionalen Käsesorten dank der kontinentaleuropäischen Konkurrenzsituation nicht zu verachten sind. Im Gegenteil, die können mit den Franzosen spielend mithalten. Dies ist nur ein Beispiel. Vielleicht nicht so spektakulär, weil für uns so selbstverständlich: In allen Ländern gibt es ein überbordendes Angebot an frischem Gemüse und Früchten, an Bieren und Weinen. Welch reicher Kontinent!

Sandwiches
Wobei man die in Europa im Grunde genommen dominierende kulinarische Sparte nicht ausser Acht lassen darf: Die Sandwiches. Hier hat sich inzwischen eine Qualität etabliert, die so ein Sandwich nicht mehr zu einem Hungerstopfverlegenheitsobjekt deklassiert - man denke etwa an das italienische "Toast" in einer Bar - sondern zu einem hochwertigen, kulinarisch durchaus akzeptablen Genuss für solche Gelegenheiten, wo man halt unkompliziert etwas Essen möchte. Wir des öfteren zum Sandwich gegriffen und dabei leckere lokale Käse- und Schinkensorten entdeckt.

Ich kann eine solche Zugsreise mit einem InterRail-Ticket wärmstens empfehlen. Das Preis-Leistungsverhältnis ist ausgezeichnet. Vier Wochen ist eine gute Zeit. Man muss nicht hetzen und kann doch einiges sehen. Nebenbei: 1. Klasse ist eindeutig bequemer als die 2. Die 1. Klasse ist auch im Gegensatz zur 2. nie überfüllt und man hat einfach mehr Platz für sich und das Gepäck.

Es ist viel unkomplizierter mit dem Zug zu reisen, als wir uns das vorgestellt haben. Die Bahn ist schnell und man kommt immer mitten in der Stadt an. Beispielsweise in München, wo der Bahnhof fünf Minuten von der Fussgängerzone weg liegt. An jedem Bahnhof findet der Reisende mindestens ein Hotel, wir hatten nicht ein einziges Mal das Problem, ein Zimmer zu finden. Mal sind sie top, wie in München, mal sind sie, na ja, wie in Perpignan. Aber genau das macht den Reiz einer solchen Reise aus.

Neue optische Einsichten
Der Zug ist schnell und wenn der Zug, wie in Polen ziemlich langsam durch die Gegend zuckelt, hat auch das seinen Charme. Was der Autofahrer jedoch mit Verblüffung feststellen wird: Der Zug ermöglicht es, von der Reiseroute einen völlig anderen optischen Eindruck zu gewinnen, als mit dem Auto. So sieht man links und rechts der Bahnstrecke zumeist nichts als Wiesen und Felder. Der Autofahrer hingegen sieht vor allem dieses graue Strassenstück vor sich und viele andere Autos. Und wenn der Beifahrer sagt, "schau mal dort drüben", ist man am Überholen und muss auf den Rückspiegel und die Autos vorne achten.

Meine Reisebegleiterin und ich bedanken uns bei allen, die unsere Reise bis hierher mitverfolgt haben und auf Facebook und im Blog Kommentare hinterlassen und Tipps gegeben haben. Wir hoffen, etwas Unterhaltung geboten und auch ein paar interessante Erkenntnisse weitergegeben zu haben.

Und das waren unsere Stationen:
Marseille Perpignan Barcelona
Riba-roja d'Ebre Pamplona Bordeaux
La Rochelle London York Edinburgh Inverness
Brüssel Hamburg Wroclaw Krakau
Tarnów Budapest München

Und das sind die Posts, die mir persönlich am besten gefallen:
Fischers Paradies Juan Mr Sitch Hoffen auf Loch Ness
Edinburgh Kaffeegenuss Geschichte München Basd scho

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Samstag, August 08, 2009

Letzte Zugsfahrt

Der InterCity bringt uns von München nach Stuttgart, mit freundlicher Zugsbegleitung. In Polen ist so ein Kondukteur noch eine Mischung aus Polizist und Bahnbeamter.

Das bedeutet, dass so ein bahntechnisches Mischwesen sich immer leicht düpiert fühlt, wenn du es gewagt hast, SEINEN Zug zu besteigen. Und wenn er nichts auszusetzen hat, an deinem Billet - wir haben schon wüste Beschimpfungen miterlebt - markiert er völlig unötig UNSER Global Ticket mit seinem Schnörkel.

Ganz anders in den westeuropäischen Ländern. Hier bringt dir der Zugsbegleiter, nachdem er dein Ticket kurz angeschaut hat, das Frühstück an deinen Platz. Ausser in der Schweiz. Diese Bähnler ringen noch mit ihrer neuen Rolle.

In Stuttgart steigen wir um in den Zug nach Basel.

Freitag, August 07, 2009

Basd scho

Das ist schon so...

Also die Geschichte läuft so: Nach der Schweinshaxe mit Knödel im Hofbräuhaus wollte ich mir noch kurz die Hände waschen. Da sass da an diesem Tisch dieser Bilderbuchbayer. Er schaute mich an und ich schaute ihn an und mir kam eigentlich nichts anderes in den Sinn als den ziemlich idiotischen Satz zu sagen: "Sind Sie ein original Münchner?" "Nein", sagte er, "ich bin ein Franke."

Und dann gab ein Wort das andere. Ich sei ihm auch aufgefallen, sagte er, "wegen dem Hut und wenn einer einen Hut trägt, dann ist er schon in Ordung, habe er gedacht". Ob mich setzen dürfe, habe ich daraufhin gesagt. Aber ja doch, meinte er, "aber dann machen wir gleich auf Du, ich heisse Manfred". Wahnsinn, dachte ich, und sagte: "Ich auch!" "Wahnsinn", sagte er. Dann bestellte er zwei Bier.

Gleicher Jahrgang, gleicher Vorname:
zwei Hutträger kommen sich näher.

So läuft das in München. Ich habe dann meine Reisebegleiterin aus dem Biergarten des Hofbräuhaus geholt.

Die Sache ist die: Wenn dieses erste Mass Bier vor einem steht - ich bevorzuge dunkles Bier - dann denkt man: diesen Liter schaffst du nie. Schon mit der zweiten Mass stellt sich diese Frage nicht mehr.

Das Hofbräuhaus ist voller Touristen aus aller Herren Länder. Und dazwischen sitzen diese Männer in ihren bayrischen Trachten. Nun könnte man ja auf die Idee kommen, dass die aus Gründen der Folklore hier sitzen, was aber ziemlich falsch ist. Denn die Männer in ihren Lederhosen und unterschiedlichsten Kopfbedeckungen sind Mitglieder von Stammtischen.

Jeder Stammgast hat seinen eigenen Biergkrug.

Wie sich herausstellte, hatten wir das Vergnügen, den Abend mit den Königstreuen, den Anhängern des Hauses Wittelsbach zu verbringen. Die treffen sich jeden Freitag im Hofbräuhaus. Heute waren es nur sechs, ansonsten sind es fünfzehn oder noch mehr. Manfred fährt jeden Freitag gut fünfzig Kilometer mit dem Zug zu seinem Stammtisch und mit dem letzten wieder zurück nach Hause. Wahnsinn.

Für die Anhänger des Hauses Wittelsbach kommt die Bezeichnung "Freistaat Bayern" nur widerwillig über die Lippen. "Für uns ist Bayern das Königreich Bayern, was euch Schweizern wohl etwas seltsam anmutet", sagt der Manfred. "Wir sind halt Royalisten."

Neue Hosenträger für Klausi.
Der Herr mit dem Schnauz ist ein Südtiroler und
gehört zu einem anderen Stammtisch.

Vielleicht muss man deshalb wissen, dass es sich beim Hause Wittelsbach um eines der ältesten Adelsgeschlechter Deutschlands handelt und dieses seit dem Jahr 1000 in Bayern eine Rolle spielt. Nach dem 1. Weltkrieg war dann für die aus dem Hause Wittelsbach fertig lustig. Eine Revolution fegte den letzten vom Thron. Er soll es recht gelassen genommen haben.

Bei Wikipedia findet sich vor dem Hintergrund unserer Reise noch ein interessanter Hinweis: Der derzeitige Chef des Hauses Wittelbach, der Franz von Bayern, ist gleichzeitig auch Chef des Hauses Stuart. Habe ich die Stuarts nicht in Edinburgh gesehen, beim Vorbeimarsch der Clans? Dann müsste also ist dort der Franz mitmarschiert sein. Wahnsinn.

Ein alter Bierkrug, Klausi will wissen,
ob der auch tatsächlich 200 Euro wert ist.
Ja, sagt Manfred.

Doch zurück zu unserem Stammtisch. Nach und nach kamen auch die anderen, der Rudi, der Alfonso, der Klausi, der Max. Und später noch der Willi. Nun ist es nicht so, dass da jeder Stammtisch eine Insel für sich bildet. Die Stammtische rundherum gehören mit zum erweitereten Bekanntenkreis, man besucht einander und redet miteinander über den neuen Hut oder die Hosenträger oder weiss ich über was.

Das Stichwort, das mir spontan dazu einfällt ist Herzlichkeit. Die mögen sich, die respektieren sich, die freuen sich, einander jeden Freitag zu sehen. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, was da einer ausserhalb seiner Lederhosen für eine berufliche Tätigkeit ausübt. Das Motto lautet: "Basd scho". Was soviel bedeutet wie "ist schon in Ordnung." Der Manfred ist Sozialpädagoge.

Die Brotzeit wird selbst
mitgebracht: Köstlichkeiten aus Franken.

Der Stammtisch der „Wittelsbacher“ hält es so, dass es gegen sechs Uhr Brotzeit gibt. Sie haben mit dem Wirt des Hofbräuhauses vereinbart – das Hofbräuhaus gehört dem Freistaat Bayern und wird verpachtet –, dass sie ihre eigene Brotzeit mitbringen dürfen. Jeder ist mal dran, die anderen zu verköstigen. Dieses Mal war die Reihe an Manfred und der hatte Wurstköstlichkeiten aus Franken mitgebracht sowie Oliven aus Kreta „von einem Bekannten“. Alfonso, der Käse verkauft, steuerte einen Camembert bei.

Na ja und nach der Brotzeit und dem nächsten Mass gab es eine Runde Schnupftabak. Und wir redeten über dieses jenes und kamen dann auf Hubert von Goisern zu sprechen, der die Volksmusik revolutionieren wollte und den ich mal an einem Konzert in Basel erlebt habe. Den kennt der Manfred schon seit Jahren persönlich. Die Welt ist klein.

Die Mitglieder eines Stammtisches
kaufen sich spezielle Münzen
zum Bezahlen für ihr Bier. Mit Rabatt.

Mein Lieblingssong von Hubert von Goisern ist „Hörst es net, wie die Zeit vergeht“ und irgendwie passte der Text zu diesem Abend, denn Manfred und ich haben nicht nur den selben Jahrgang sondern sind auch fast am selben Tag zur Welt gekommen. Wahnsinn.

Ich mag München und die Bayern sowieso und selbstverständlich auch die Franken. An irgendeinem Freitag werde ich nach München fahren und mich an den Tisch der "Wittelsbacher" setzen. Sie werden sich freuen und ich mich auch und dann werden wir zufrieden mit uns und der Welt feststellen: "Basd scho."

Englischer Garten

Mittagspause im Englischen Garten. Nach einer guten Dreiviertelstunde
haben wir es aufgegeben, weiterzugehen. Es gibt eine erhebliche
Diskrepanz zwischen dem optischen Eindruck, den mein Navi hinterlässt
und der Realität Massstab 1:1. Kunsstück, der Englische Garten ist
grösser als der Central Parc in New York! Ergo haben wir uns einfach
hingefläzt und daran ändern wir nun vorerst mal gar nichts!

Donnerstag, August 06, 2009

München

Da blieb nun jeder Mann stehen und wer
hatte, zückte den Fotoapparat.

Was soll man über München noch sagen. Wir waren schon öfters hier. Wenn man öfters irgendwo hin fährt, dann kann man tatsächlich auch tiefer in eine Stadt eintauchen. D.h. man könnte. An München mag ich, dass wir hier einfach oberflächlich sein können.

München ist eine Genussstadt. Der Wohlstand ist greifbar. Ähnlich wie in Hamburg. Doch in München ist dieser Wohlstand, der Luxus einfach lustvoller und auch beschaulicher.

Man kommt mit den Leuten recht schnell ins Gespräch. Zum Beispiel im Biergarten im Viktualienmarkt bei einer Brotzeit (Obazda: Camembert, Limburger, Sahne, Butter, Salz, Pfeffer, Zwiebel, Paprikapulver; dazu eine grosse Bretzel und Bier). Da setzt sich also ein echter Münchner an unseren Tisch, zusammen mit seiner Frau und einem Ehepaar aus Dresden.

Und so sieht das Ding von hinten aus....

Da erwartet man, dass nun Bodenständiges beredet wird, zum Beispiel über Politik oder so. Aber nein, nach fünf Minuten und nach kräftigem zuprosten landen wir bei so tiefschürfenden Themen wie Wiedergeburt, Okkultismus, ein toter Freund, der die Türe zuschlägt, der verstorbene Ehemann, der am Bild kratzt (die Frau aus Dresden) und so weiter. Dabei trägt der Mann eine bayrische Trachtenjacke! (Ich bin übrigens aus dem Alter heraus, wo ich so etwas noch als "Wink des Schicksals" begreifen würde.)

Was im Stadtbild auffällt, sind nicht Bayern in Lederhosen und Bayrinnen in Dirndln, sondern Saudis und Golfstaatler, überwiegend junge Frauen und Männer. Die jungen Frauen bedecken ihre hochgesteckten Haare mit einem Kopftuch, aber das ist mehr ein adrettes modisches Accesoir zur westlichen Kleidung, die sie tragen. Es scheint so, als ob die strengen Verhüllungsvorschriften für München nicht gelten.

Meine Reisebegleiterin, die mehr davon versteht und dazu noch über einen ausgeprägt guten Geruchssinn verfügt, sagt, dass die Frauen von sehr teurem Parfumes umhüllt seien.

...und so von vorne.

"Sie lieben offensichtlich München",
sagt uns eine Düsseldorferin beim Kaffee in der Maximilianstrasse, die schon längere Zeit am Chiemsee wohnt und als Trendscoutin für die Schuhindustrie arbeitet. Sie verdreht etwas genervt die Augen. "Die bleiben meistens mehrere Wochen in München und belegen in den teuren Hotels ganze Stockwerke." Aber jetzt, wo die Krise da sei (ich schaue mich erschrocken um, sehe aber nichts), sei das halt schon gut, für die teuren Hotels.

Sie sei nach München gekommen, um ein wenig Barrengold zu kaufen (meine Reisebegleiterin ist meine Zeugin, dass ich hier nicht irgend einen Quark schreibe), dann entsinnt sie sich ihrer Tasche, die sie neben sich auf den leeren Stuhl gelegt hat, packt sie und stellt sie zwischen uns auf den Boden.

Und so von innen. Ja, ja, infantil, meine ich auch.

Ich sage ihr, dass ich eigentlich aus Konstanz komme, mein Schweizer Akzent nur gespielt sei und ich mich auf's Klauen von Frauenhandtaschen spezialisiert hätte. Sie lacht und glaubt mir kein Wort.

Wir sind uns übrigens auch an unserer letzten Station treu geblieben und haben in einem Hotel gleich beim Bahnhof eingecheckt.

Auf dem Weg nach München


Wir sind im „Railjet“ der OeBB unterwegs nach München, in einem dieser supermodernen Hochgeschwindigkeitszügen mit Ledersitzen und reichlich Platz. Zwischen diesem Zug und jenem, den wir zwischen Krakau und Tarnów erwischt hatten, liegen gut vierzig Jahre Bahnentwicklung. In Polen und den anderen Oststaaten bauen sie zuerst Autobahnen und später erst ein modernes Eisenbahnnetz. Ganz nach unserem Vorbild.

Eigentlich wollten wir in Wien Halt machen. Sind ja nur zweieinhalb Stunden von Budapest nach Wien. Doch von Wien nach Basel sind es dann über zehn Stunden mit dem Zug. Und das ist uns zu viel des guten, zumal man auch mitten in der Nacht einmal umsteigen müsste.

Einen Laptop mit dabei zu haben, noch besser: ein Notebook, ist ein Muss, weil der Zugang zum Internet das Leben auf Reisen ungemein vereinfacht. Zum Beispiel, wenn man sich ein Hotel sucht oder was wissen will (Schnellbleiche in ungarischer Geschichte).

In den letzten beiden Wochen hatten die Hotels immer entweder Kabelanschluss oder WiFi. Internetzugang sollte zum Standard werden, wenigstens nützte dieser uns mehr, als das Fernsehgerät im Zimmer wie in Polen, wo du eh kein Wort verstehst. (Die synchronisieren die amerikanischen Serien nicht, sondern ein Sprecher liest den Text aller Schauspieler vom Blatt.)

Die 200 MB-Grenze habe ich bis jetzt nur beim iPhone überschritten und deshalb für den August nochmals eine günstige 125-Franken-Pauschale gebucht. Der Kartenaufbau für das iPhone-Navi braucht relativ viele MBs.

Man braucht den Internetanschluss, um in aller Ruhe seine nächste Etappe planen zu können. Um sich halt nach ein zwei Stunden Stadtbummel wieder eines anderen zu besinnen und schnell mal nachzuschauen, ob diese Änderung des Planes auch machbar ist. Denn das wirklich Praktische an den InterRail-Tickets ist ja, dass man sich noch auf dem Bahnsteig, wie wir das auch schon gemacht haben, anders entscheiden kann.

Akzeptable Tagesstrecken dauern fünf, höchstens sieben Stunden. Wenn man früh am Nachmittag am Zwischenziel ankommt, hat man genügend Zeit, sich um zu sehen. Und sich dabei zu bewegen.

Die grossen Städte sind trotz U-Bahn anstrengend (der Strassenverkehr in Budapest beispielsweise ist echt mühsam). Die nächsten beiden Tage möchten wir unsere vierwöchige Tour relaxt ausklingen lassen. Und Geld ausgeben für Dinge, die man nicht unbedingt haben muss. Welche Stadt eignet sich für beides besser als München?

Am Samstag geht es dann weiter nach Dornach-Arlesheim, dem Ziel unserer Reise.

Geschichte

Herr Gabor, ein Fürst

Was mich an diesem Ausflug in Europas Osten am meisten in Verlegenheit bringt, sind diese Denkmäler, die man in jedem grösseren Ort antrifft. Es werden Fürsten und Denker gewürdigt, von deren Existenz ich zumeist keine Ahnung habe.

Da ist zum Beispiel Herr Gabor. Er hat in Ungarn zwischen 1613 bis 1629 eine derartig wichtige Rolle gespielt, dass man ihn zusammen mit ein paar anderen auf einem riesigen Platz mit einem riesigen Denkmal für (fast) alle Ewigkeit lobpreist.

Nun kann man sich bei Wikipedia einen kurzen Überblick über die ungarische Geschichte verschaffen, wobei ich lese, dass "Ungar" eine slawische Bezeichnung ist, und dass es korrekterweise "Magyar" heissen müsste.

Und wenn ich diesen kurzen geschichtlichen Abriss lese, dann werden mir die Ungarn noch rätselhafter als ihre Sprache. Denn bisher konnte ich sie in den zeitlich und historischen Raster der k.u.k-Monarchie, des 1. und 2. Weltkrieges, der kommunistischen Diktatur, 1956 und dann ab 1989, dem Jahr, seit dem sie zu "uns" gehören, einordnen.

Jetzt erfahre ich, dass es da auch noch den Herrn Gabor, den Kuruzenaufstand und Árpád und Stephan den Heiligen und so weiter und so fort gibt.

Ich habe nur eine Ausrede, warum ich das alles nicht weiss: weil es mich nicht wirklich interessiert.

Als eingefleischtem Referendumsdemokraten ist mir die Verehrung von Fürstendenkmälern zudem irgendwie suspekt. Sie wirken auf mich in ihrem in Bronze gegossenen Pathos halt genau so lächerlich, wie die Statue von Stalin, welche die Ungarn im Jahr 56 in ihrem Freiheitsdrang gesprengt haben und von dem jahrelang lediglich die Stiefel übrig blieben.

Der Freiheitsdrang zieht sich übrigens als roter Faden durch die magyiarische Geschichte. Das kennen wir ja auch.

Mittwoch, August 05, 2009

Ungarisch

Let's face it, Ungarisch ist eine Sprache, die man nicht beherrschen muss. Zwischen 13 und 15 Millionen Menschen ab drei Jahren sprechen Ungarisch, eine Sprache, bei der man als Mitteleuropäer in den wenigsten Fällen herausfinden kann, von was die eigentlich reden oder schreiben, wie zum Beispiel dieses Wort zwischen "Magyar" und "Muzeum", wobei es dieser Accent auf dem "u" auch nicht unbedingt bräuchte.

Will man Ungarisch so im Sinn "das tönt doch wie" sprachlich eine Richtung geben, dann kommt einem als naheliegenste Variante nicht etwa das Finnische in den Sinn, obwohl die beiden Sprachen miteinander verwandt sein sollen, sondern eher Türkisch: "Úgy érzi" ist Ungarisch und "yemek yediği" ist Türkisch. Tönt doch irgendwie ähnlich. Und schliesslich hatten sich einst die Türken für immerhin 180 Jahre in Ungarn niedergelassen. Es gab tatsächlich mal eine Theorie, welche dem Ungarischen eine Verwandschaft mit den Turksprachen zuschrieb. Sie ist widerlegt.

Bei Wikipedia lesen wir das Folgende:
Die etablierte Sprachwissenschaft ordnet das Ungarische zusammen mit dem Chantischen und dem Mansischen, den Sprachen zweier indigener Völker Westsibiriens mit jeweils wenigen tausend Sprechern, der ugrischen Untergruppe der finno-ugrischen Sprachen zu. Die finno-ugrischen Sprachen wiederum bilden zusammen mit der kleinen Gruppe der samojedischen Sprachen die uralische Sprachfamilie.
Das ist so kryptisch wie das Ungarische selbst. Also muss es stimmen. Ach ja, es handelt sich um das Ungarische Landwirtschaftsmuseum.

Regen

Premiere: Zum ersten Mal in diesen vier Wochen regnet es in Strömen.
Auch in dieser Hinsicht ist Budapest eine Reise wert. Ein Regengedicht:

Der Regen kommt, wann es ihm passt.
Es giesst so manche Stunde.
Der Regen trommelt ohne Hast
und bleibt ein Weilchen unser Gast.
Wir fluchen eine Runde.

Dönerkebab


Wir können es bezeugen: Der Siegeszug des Dönerkebab, des „sich drehenden Grillfleisches“ ist vollendet. Es gibt in Europa keine dönerfreie Stadt mehr. Der Döner hat in Europa die einstige Vormachtstellung des Hamburgers innert weniger Jahre definitiv und für immer geschleift.

Jeder der will, kann ein Kebab-Lokal eröffnen und Döner verkaufen. Jeder? Nicht ganz. Denn der Vertrieb von Döner ist fest in der Hand von Türken und das in ganz Europa, sogar in Polen und Ungarn, wo es noch nicht sehr viele Ausländer gibt.

Das ist die zweite bemerkenswerte Tatsache. Es sind ausschliesslich kleine türkische Familienbetriebe, die Dönerkebab anbieten. Sie suchen sich die geeignete Lokalität – immer an bester Fussgängerlage, zahlen Infrastruktur und Miete und beziehen die zwei bis zehn Kilo schweren Fleischspiesse von einem zentralen Lieferanten.

Dieses Geschäftsmodell funktioniert offensichtlich derart gut, dass trotz des Erfolgs des in warmes Fladenbrot geschabten Fleisches noch keiner den Aufbau einer Döner-Fastfood-Kette gewagt hat.

Interesssant ist die Sache mit den Markenrechten: Während diese bei MacDonald’s klar geregelt sind und jedes Mc gleich eine Abmahnung des Grosskonzerns zur Folge hat, kann jede Dönerbude, sich mit „Döner“ und „Kebab“ bezeichnen und wenn zwei, drei oder noch mehr Lokale nebeneinander stehen, dann heissen alle so, ohne dass es den Konkurrenten weiter stört. Denn niemand besitzt die Markenrechte an der Bezeichnung „Dönerkebab“.

Doch gerade dieser Markenanarchismus nützt allen gleichermassen. Während für den BiMac und seine Verwandten Millionen für Werbung ausgegeben werden müssen, kann man sich das beim Döner das sparen. Jeder wirbt für jeden, die Konsumenten wissen, was sie erwartet: Fleisch, Salat, Tomaten in einem zur Hälfte aufgeschnittenen Fladenbrot oder eingerollt in dünnen Fladenbroten als Dürüm.

Allerdings: Was für Fleisch auf so einen Spiess kommt, ist manchmal ziemlich zweifelhaft. Und im Grunde genommen schmeckt so ein Döner auch nach nichts, würde nicht reichlich ebenfalls vorgefertigte Tunke, mal mehr oder weniger scharf, darüber geschüttet. Ohne diese Aromakeule hätte Dönerfleisch den Charme von frisch geschnittenem Karton.

Wir haben uns auf unserer Europatour auch mal einen Döner gegönnt. Er schmeckte wie zuhause.

Dienstag, August 04, 2009

Budapest

Budapest ist eine moderne europäische Stadt,
die jedem Vergeich standhält.

Ungarn ist in einer Hinsicht eine Reise in die Vergangenheit: Das Geld, der Forint. Das ist wie vor dem Euro Italien: 10'000 Forint-Scheine, 50'000-Forint-Scheine, Tausender, 200er Münzen und so sind dann auch die Preise: Sandwiches, Kaffee und Mineralwasser: Viertausenddreihundertneunzig Forint (rund 24 Franken).

Wir waren vor Jahrezehnten das letzte Mal in Budapest. Dass das schon wirklich lange her ist, beweist das Verkehrsmittel, mit dem wir damals hier waren: mit einem Döschwo. Wir kamen von Griechenland und mussten an der jugoslawisch-ungarischen Grenze acht Stunden warten. Der Schlagbaum ging damals nur einmal am Tag hoch, um acht Uhr abends.

Hotels gab es zu der Zeit auch nicht einfach so. Wir haben uns für eine Nacht bei einer Familie einquartiert, die ein Schlafzimmer als "Fremdenzimmer" hergerichtet hatte und so etwas hinzu verdiente. Da sassen wir dann am anderen Morgen allein im Wohnzimmer und assen unser Frühstück, eine ziemlich skurrile Veranstaltung.

Klar ist es inzwischen abgedroschen: Aber Budapest ist der beste Beweis dafür, welche Überlegenheit das kapitalistische System gegenüber den sozialistisch-kommunistischen Herrschaftsformen hat. Auch wenn bei uns zuhause die Diskussion in eine andere Richtung läuft.

Bekannte Bilder mit dem Touri-Bus abhaken.

Budapest ist eine moderne europäische Stadt, die mit London, Paris, Berlin, Hamburg, Zürich und so weiter spielend mithalten kann. Und wie in all diesen Städten, sind auch in Budapest die weltbekannten Luxusmarken in einem Geviert im Zentrum zu finden. Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Denn die Touri-Bustour hakt all die Bilder ab, die wir aus den Prospekten kennen.

Interessant ist deshalb, was sonst so läuft. Beispielsweise was die deutschsprachige Zeitung, die "Budapester Zeitung" berichtet. In Stichworten:
  • Der Innenminiser steht unter Druck einer Rechtsaussenpartei, weil sich ein Bombenterrorvideo, dass dieser eben dieser Rechtsaussenpartei untergeschoben hat, um deren Gefährlichkeit zu illustrieren, sich nun als Fälschung erwiesen hat. Der Innenminister entschuldigt sich.

  • Auf Druck einer Bürgerinitiative mit über 600'000 Unterschriften haben die Abgeordneten ein neues Diätengesetz erlassen, das eine neue Spesenregeln enthält. Damit haben sich jetzt die Spesenansprüche der Abgeordneten verdreifacht. Da sei in der Hitze des Gefechts wohl ein Fehler passiert, sagt jetzt ein Parlamentarier.
Und die dritte Nachricht, zu einem gekippten neuen Ladenschlussgesetz, wollen wir wörtlich zitieren. Titel: Internet und Öffentlichkeit:
  • Hauptmedium war mal wieder das Internet, das sich immer mehr zur kritischen Öffentlichkeit Ungarns entwickelt. Die zahlreichen niveauvollen Internetzeitungen und Blogs schaffen das, woran die oftmals lächerlich offensichtliche Parteipropaganda der Printmedien Tag für Tag scheitert: Die Sicherstellung einer von tagespolitischer Taktik unabhängigen Pressearbeit, die so wichtig ist für eine demokratische Gesellschaft.
Die Budapester Zeitung wird auf richtiges Papier gedruckt.

Die Kunst des Reisens


Nachtzug nach Košice. Braucht nur fünf Stunden. Die beiden Züge tagsüber dagegen über acht Stunden, haben wir online durch die Fahrplanabfrage erfahren. Wir haben von der ursprünglichen Art des Reisens mit dem Zug in den letzten Tagen genug mitbekommen. Das Hotelzimmer haben wir nur tagsüber genutzt, zum Duschen und Ausruhen. Und zum Schreiben. Um fünf Uhr morgens werden wir ankommen.

Ich mag solche Nachtfahrten. Man schläft, falls überhaupt, erst kurz vor dem Ende der Strecke ein, döst dazwischen weg, träumt wirres Zeugs, wird wieder hellwach, weil man um seine Wertsachen fürchtet. Und dann dieses übernächtigte Gefühl und wenn du ankommst um fünf Uhr in der Frühe, ist es saukalt und du hoffst auf einen ersten starken Kaffee. Ein Croissant wäre die Vorstufe zum Paradies.

Der iPod spielt in den nächsten Stunden einen Mix aus Pop- und Rockstücken, dazwischen ein paar Unpluggeds, auch Keith Jarret. Die Kopfhörer von Logitech sind ihr Geld wert. Sie erreichen die Qualität der heimischen Anlage.

Vor einer Woche habe ich de Bottons Buch „The Art of Travel“ zu Ende gelesen. Der Kerl hat mich ab etwa der Mitte des Buches zu nerven begonnen. Es hat einen interessanten eigenen Gedanken in diesem Buch und das ist der auf Seite 9, den ich früher mal hier zitiert habe und der mich auf mehr hoffen liess.
If our lives are dominated by a search for happiness, then perhaps few activities reveal as much about the dynamics of this quest – in all is aroudur an paradoxes – than our travels. They express, however inarticulately, an understanding of what life might be about, outside the constraints of for and the struggle for survival.
Er war, wenn ich richtig gerechnet habe, 33 als er das Buch schrieb. Und man kann ja keineswegs behaupten, Herr de Botton sei nicht ein äusserst belesener junger Mann. Aber das reicht nicht aus, um über „The Art of Travel“ zu philosophieren. Aus dem einfachen Grund, weil ihm schlicht und einfach die Erfahrung des Reisens fehlt.

An eigenen Erlebnissen bekommen wir eine Autofahrt mit einem Halt in einer Autobahnraststätte mit, wo er einen Schokoriegel (!) zu sich nimmt und wenn ich mich recht erinnere dazu einen Orangensaft trinkt. Dann fährt er mit seiner Freundin in die Karibik und die beiden geraten sich in die Haare wegen einer Crème brûlée und schliesslich liegt er in einem Hotelzimmer in Madrid im Bett und will partout nicht raus, bis ihn das Zimmermädchen verscheucht. Dann trinkt in der Hotelbar eine heisse Schokolade. Ich halte das alles für ein ziemlich infantiles Verhalten, das Herr de Botton an den Tag legt.

Es gibt zwei Stadien des Reisens: in den ersten Jahren ist man ein Sammler. Diese Phase endet meistens dann, wenn man für teures Geld irgendwo hinfliegt und dort feststellt, hier sieht es aus wie in…. Die meisten Leute kommen jedoch über dieses Stadium nie hinaus.

Und dann gibt es die fortgeschrittenen Reisenden, die Erwachsenen (gemäss Herrn Schawinski sind das Leute ab sechzig), welche die Gelassenheit und Souveränität besitzen, sich auf das, was da kommt einfach einzulassen.
We are inundated with advice on where to travel to; we hear little of why and how we should go.
Wie gesagt, ich verstehe, dass Herr de Botton einen solchen Seufzer von sich lässt, er ist einfach noch jung und unerfahren. Denn wer schon herumgekommen ist, also über eine gute Portion Reiseerfahrung verfügt, für den ist vieles einfach egal und anderes will man nicht mehr. Zum Beispiel nochmals acht Stunden zweite Klasse fahren.

Die Kunst des Reisens besteht darin, aus dem was sich bietet eine eigene Geschichte zu machen, sein Unterwegssein bewusst gestalten.

Dazu gehört auch, die Zeit als Zeit zu geniessen. Wenn man auf einen Zug wartet, beispielsweise, geschieht einfach nichts. Meint man, bis sich der Bahnhof in eine Bühne verwandelt und du allein bist der Regisseur.

Der seinerzeit 33jährige de Botton kann das selbstverständlich nicht wissen. Deshalb kommt er auf die absonderliche Idee, dass Herr Humboldt beispielsweise das Glück hatte, Neues zu entdecken, weil noch keiner vor ihm dort war, wo er auf Pirsch nach Pflanzen, Tieren und Flussläufen ging. Na klar ist das so. Der Lärm in einem Urwald kann übrigens unerträglich sein.

Nur ist das im 21. Jahrhundert, nachdem wir das 20ste glücklich überstanden haben, nicht mehr ein Massstab für uns. Wir haben den Laptop und das iPhone mit eingebautem Navigationsgerät mit dabei. Wir stehen vor einer Kirche und informieren uns über Wikipedia. Statt mit dem Kompass und dem Sextanten navigieren wir unseren Weg durch den Grossstadtdschungel mit dem Internet.

Es geht gar nicht mehr darum, etwas zu entdecken, das andere vor uns noch nie gesehen hat. Warum auch. Wir reisen ja auch nicht mehr mit dem Segelschiff übers Meer und Schwingen uns dann auf den Rücken eines Mulis.

Das eigentliche Abenteuer, die spannende Entdeckungsreise findet im Kopf statt. Wer nicht über eine ausreichende Fantasie verfügt oder wenn es einem an Bildung mangelt, dem bleibt wohl nichts anderes übrig, als eine Pauschalreise in einen Club-Med zu buchen. Ein hohler Kopf zuhause bleibt auch ein hohler Kopf unterwegs. Da kann sich nichts bewegen ausser dem Körper und den Koffern.

Wir haben heute in Kraków bei McDonalds einen BigMac mit Pommes Frites und Coca Cola bestellt. Das war ein bewusste Entscheid aufgrund langjähriger Reiseerfahrung: Auf unserem gut fünfstündigen Rundgang durch die Stadt haben wir sehr viele Speisekarten mit farbigen Bildchen gesehen. Das ist ein wichtiger Hinweis auf eine schlechte Küche und das Ergebnis dortigen Schaffens ist oftmals nicht so gut für den Magen. Empfehlenswert ist übrigens auch ausgiebiges Händewaschen mehrmals am Tag, besonders nach einer Zugsreise. Soll auch gegen Schweinegrippe helfen.

Wie oft Herr Humboldt von der Rache Montezumas heimgesucht wurde, ist nicht überliefert.

Montag, August 03, 2009

Tarnów

Der Rathausplatz von Tarnów

Wenn man durch Polen reist, kann man die jüngste Geschichte nicht ausblenden. Die ist zum einen selbstverständlich auch polnische Geschichte, aber zu allererst ist es die deutsche Geschichte und die jüdische Geschichte, die einem in jeder Stadt begegnen.

Die Reste der Synagoge, die 1939
niedergebrannt und zerstört wurde.

Zum Beispiel hier in Tarnów. Fast die Hälfte der Einwohner der rund 70 Kilometer östlich von Krakau gelegenen Stadt waren beim Einmarsch der Deutschen am 8. September 1939 Juden.

Noch am gleichen Tag begann das Terrorregime gegen die Juden. Männer wurden von der Strasse weg verhaftet und zur Zwangsarbeit verschleppt, Wertsachen wurden konfisziert (gestohlen). Im November brannten die Synagoge und die Gebetshäuser und ab Dezember mussten die 25‘000 Juden Tarnóws eine Armbinde tragen.

Der in den 90er-Jahren wieder hergestellte Friedhof
von Tarnów. Er datiert zurück ins 16 Jh.
Auch hier fanden Exekutionen statt.

Am 14. Juni 1940 ging der erste Transport aus Polen mit 708 polnischen Gefangenen und 20 Juden von Tarnów nach Auschwitz. Sie erhielten bei ihrer Ankunft die Häftlingsnummern 31 bis 759 und waren damit unter den ersten, die nach Auschwitz kamen. Ab Mitte 1942 wurden die Häftlingsnummern in den Unterarm eintätowiert, jedoch nur in diesem KZ. Insgesamt wurden im KZ Auschwitz 405.222 Häftlingsnummern an Gefangene ausgegeben. Davon wurden ca. 340.000 getötet. (Quelle)

Am 3. September 1943 fand der letzte Transport nach Ausschwitz statt, danach war das Ghetto von Tarnów, in dem zwischenzeitlich bis zu 40'000 Menschen unter für uns nicht mal mehr vorstellbaren Verhältnissen lebten, menschenleer.

In den ehemals jüdischen Häusern und Wohnungen wohnen heute Polen. Seit Mitte der 90er Jahre findet in Tarnów kein jüdischer Gottesdienst mehr statt, weil es dafür 10 erwachsene Männer, einen Minjan, braucht.

Der europäische Mann

T-Shirt, Dreiviertelhose, Sandalen oder Sportschuh
die modebewusste männliche Internationale.

Herr Lagerfeld ist ein kleiner Stümper. Er tut zwar so, als übe er modischen Einfluss aus. Im Grunde genommen hat er nichts zu sagen. Bei den Männern. Giorgio Armani weiss das und hat schon längst resigniert. Deshalb läuft er so rum, wie der europäische Mann nun mal rumläuft: Mit T-Shirt.

Es gibt verschiedene Theorien, zu welchem Zweck man dieses Wäschestück entwickelt hat. Da kommt jede Menge Militär vor, der Vater aller Wäsche. Dann noch Marlon Brando und James Dean.

Mir gefällt die Theorie sehr gut, wonach der englische Adel seinem Personal gestattete, T-Shirts zum Servieren des "four o'clock tea" zu tragen. So vermied man hässliche Teeflecken auf ein langärmligen Hemd. Damals gab es noch kein Ariel. Und deshalb heisst es im Englischen auch "Tee Shirt", okay ein kleiner Scherz.

Der europäische Mann trägt Dreiviertelhosen, Sandalen oder Sportschuhe und eben ein T-Shirt. Stellvertretend für die erdrückende Mehrheit aller europäischer Männer, die sich diesen Sommer so kleiden und die wir auf unseren Weg durch den alten Kontinent in wirklich allen Städten und Käffern getroffen haben, seien diese drei Unbekanntenaus Krakau für alle Ewigkeit im Internet gespeichert. Quasi als Denkmal für den unbekannten europäischen Mann.

Wir gehen demnächst zum Bahnhof. Alle halbe Stunde fährt ein Zug weiter nach Osten.

Sonntag, August 02, 2009

Rynek Glowny

Die Marienkirche, immer zur vollen Stunde
bläst ein Trompetenspieler hoch oben im Turm eine Melodie.


In Europa gibt es vier unvergleichlich schöne Plätze, die man einfach irgendwann einmal gesehen haben muss. Die beiden bekanntesten sind die Piazza San Marco in Venedig und der andere die Piazza del Campo in Siena. Nicht so bekannt, also etwas für Liebhaber ist die Plaza Mayor in Salamanca.

Der Platz wird vom langgestreckten
Renaissancebau der Tuchhallen in zwei Hälften geteilt.

Und mein vierter Lieblingsplatz, der eigentlich den Spitzenplatz belegt, ist der Rynek Glowny in Krakau. Wir waren vor fünf Jahren zum ersten Mal auf einer Polenrundreise mit dem Auto hier und seither hat dieser Platz eine festen Platz in meinem Gedächtnis. Eigentlich ist dieser Platz der eigentlich Grund, weshalb wir auf unserer Rundreise nochmals nach Polen und eben nach Krakau gefahren sind. Die vier Stunden und ein paar zerquetschte Minuten zweite Klasse in einem ziemlich langsam fahrenden Zug sind es wert.

Überhaupt ist Krakau eine Stadt, die zu besuchen sich wirklich lohnt. Läge sie nicht derart am Rand des touristischen Horizonts, könnte man die Reise nach Krakau noch mit anderem verbinden, weitere Worte würden sich erübrigen, so wie bei der Piazza San Marco und der Piazza del Campo.


Der Rynek Glowny datiert ins Jahr 1271 und ist der grösste mittelalterliche Platz Europas. Interessant ist die Architektur dieses Stadtzentrums: Alle Strassen rund um den Platz sind rechtwinklig angelegt und die Häuserblocks zwischen den sich kreuzenden Strassen bilden alle gleich grosse Quadrate. Der Rynek Glowny ist exakt vier solche Quadrate gross, man könnte meinen, man hätte hier einfach die Häuser weggelassen um sprichwörtlich Platz zu schaffen, fast 40'000 Quadratmeter.

Es gibt nur eine Strasse, sagt uns Kuba der junge Kellner, der uns unsere Biere bringt und eigentlich Jakob heisst: die Grodzka. Diese führt schnurstracks zum weiter unten gelegenen Königsschloss. Majestät wollten sich nicht im Zickzackkurs zum Rynek Glowny gefahren werden.





Unnötig anzumerken, dass jetzt im Sommer ein Stimmung herrscht wie irgendwo im Süden. Die Menschen kommen am Abend zum Flanieren auf den Platz, essen Gelati, trinken Espresso, Bier oder Wein, essen Tagliatelle oder Tapas oder was Indisches. Ganz wie bei uns.

Mit Tempo 30 durch die Felder

Polnischer Lokführer: Ja nicht zu schnell,
das ist sein grösstes Problem


Google Transit ist zwischendurch zum Scherzen aufgelegt. Beispielsweise wenn man wissen will, wie lange es mit dem Zug von Wroclaw nach Krakow dauert: 2 Stunden und 49 Minuten, sagt das System benötige der Zug für die 272 Kilometer.

Wir haben den gemäss Fahrplan schnelleren Zug gewählt, den um 09.28 Uhr. Der braucht lediglich 4 Std. 25. Die beiden früheren Züge brauchen für die selbe Strecke 15 Minuten länger. Sagt der polnische Fahrplan.

Nun fuhr unser Zug jedoch nicht um 09.28 Uhr ab, sondern eine halbe Stunde später. Denn zunächst mussten alle wieder aussteigen, weil der Lokführer ein technisches Problem festgestellt hatte.

Wer mit dem Zug durch Europa fährt,
fährt die längste Zeit immer mitten durch die Felder.


Das war infern gut für uns, weil dieser Zug schon seit zwanzig Minuten gleich neben uns stand. Weil in anderen Ländern die Züge jedoch nur wenige Minuten vor Abfahrt vorfahren, kamen wir gar nicht auf die Idee, der hier sei der unsere. Zumal die Schrift der Anzeige von dort aus wo wir standen, schon längst nicht mehr zu entziffern war.

Es gibt für Regionalzüge nur zweite Klasse, auch wenn noch "Express" hinzugefügt wird. Deshalb konnten wir uns mal so richtig unters Volk mischen. Nun ist das nicht so schlimm, wie der vorherige Satz vermuten lässt. Wir schwitzten diesmal einfach alle. Und hätte es tatsächlich eine erste Klasse gehabt, dann hätte auch die keine Klimaanlage gehabt. Ich bin ein gutes Stück mit Dostojewskijs "Verbrechen und Sühne" vorangekommen, passte ganz gut zur Stimmung im Abteil, auch was die Temperaturen anbelangt. Es sind dreissig Grad draussen.

Die anderen übten sich auch in Geduld
oder sind einfach dieses Tempo gewohnt.

Überhaupt: Die Leute sind sympathisch, die einen lesen ein Buch, andere schauen zum Fenster raus oder dösen vor sich hin, was halt Menschen tun, wenn sie in einem Zug irgendwohin wollen. Weil man in diesem Zug, im Gegensatz zu allen anderen bisher, auch die Fenster öffnen kann, weht immer ein angenehmer Luftzug durchs Abteil.

Die letzten zwanzig Kilometer setzten sich zwei hübsche junge Polinnen zu uns, so um die 18 Jahre jung. Die eine redete ohne irgend eine einzige Interpunktion. Zwischendurch hat sie auch mal ein belegtes Brot gegessen, was den Redefluss jedoch keineswegs stoppte. Nun weiss ich als Vater von drei Töchtern, dass dies weder an der Nationalität noch an der Sprache liegt, sondern am Alter.

Weil ich eh mal stehen wollte, verzog ich mich nach einer Weile mit Elvis im Ohr in den vorderen Teil des Wagens, wo man Velos hinstellen kann, also recht viel Platz zum Stehen hat.

Der Beweis: Tachometer zeigt knapp 30 km/h

Dort war auch der Lokomotivführer und so zottelten wir in einem Tempo durchs Land, man hätten Blumen pflücken können. Am Rollmaterial liegt es trotz Eingangspanne nicht, das ist recht modern. Es sind die völlig ausgeleierten Geleise, die auf einer sehr langen Strecke lediglich 30 km/h zulassen. 30 km/h! Dabei machen die Räder dieses Klopfgeräusch, das man sonst nur noch in alten Filmen hören kann, wenn sie in die Lücke zwischen den einzelnen Schienen sacken. Aber auch das ganz langsam: Dumm tsi, dumm tsi, dumm tsi.

Und damit ist auch erklärt, weshalb dieser Zug gut 2 Stunden länger braucht, als Google Transit zu wissen vorgibt.

Samstag, August 01, 2009

Wroclaw

Wieder aufgebaute Bürgerhäuser und Handelskontore.

Von Hamburg nach Wroclaw muss man viermal umsteigen. Da ist zunächst die ICE-Rennstrecke nach Berlin mit Tempo 230, dann ein Regionalzug, der bis Cottbus 20 Minuten Verspätung hinlegte, dann eine ostdeutsche Privatbahn, die pünktlich in Goerlitz ankam und schliesslich ein Regionalzug der DB mit polnischem Personal und auf einer polnischen Strecke. Der hielt den Fahrplan zwar auch ein, aber der ist derart grosszügig berechnet, dass er einfach zur Zeit ankommen muss. Schliesslich hat auch der Lokführer am Samstagabend noch etwas vor. Man kann selbstverständlich auch eine direkte Verbindung wählen, aber die ist eine Stunde langsamer, weil der ICE fehlt.

Klammer: Einmal mehr mussten wir hinnehmen, dass die Welt ungerecht ist. Während wir in der klimatisierten ersten Klasse uns zu dritt plus der Kondukteur ein 12er Abteil teilten, war die zweite Klasse gerammelt voll. Dazu noch Koffer und Kinderlärm plus eine überforderte Klimaanlage. Es ist klar: diese Zugsreise ist nur in der 1. Klasse machbar, in der zweiten wäre sie eine Qual.

Wie überall in Europa sitzen die Menschen am Samstagabend inWroclaw in einem der vielen Strassenrestaurants, essen Sushi oder Griechisches oder Spanisches oder Italienisches oder sonst was Internationales. Die jungen Polinnen kaufen ihre Klamotten bei H&M und sind deshalb einiges besser angezogen als die Mark&Spencer-Girls in York. Die Temperaturen verharren auch jetzt noch bei sommerlichen zwanzig Grad, für morgen sind über dreissig angekündigt.

Was auffällt - es ist schon um neun Uhr dunkel, während es in Schottland auch nach zehn Uhr noch richtig hell war.

Theater von Wroclaw

Wroclaw hiess mal Breslau und ist jetzt eine polnische Stadt mit 630'000 Einwohnern in Europa. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht mehr zu sagen. Wobei ein Aussenstehender die Leistung dieser polnischen Auch-Vertriebenen schon bewundern kann, sich in nur zwei Generationen in eine Stadt eines völlig anderen Kulturkreis nicht nur einzuleben, sondern dieses Fremde wieder aufzubauen. Wenn man als Vergleich Königsberg/Kaliningrad nimmt, ist diese kulturelle Leistung umso bemerkenswerter.

Possieren für den Freund mit
deutscher Maschinenpistole

Heute gedenkt man in Polen den Opfern des Warschauer Aufstandes. Dieser begann am 1. August 1944 und dauerte bis Oktober. In Wroclaw haben junge Leute in der Fussgängerpassage eine Barrikaden aufgebaut, eine Kulisse ganz im Sinne von Herrn Zadek, denke ich mal.

Da wallte schon noch das Nationalgefühl hoch, besonders bei der älteren Generation. Für die Jungen war die nachgespielte historische Szene aber vor allem Unterhaltung. Das kann man nun deuten wie man will.

Übrigens: Unser Hotel hat nur drei Sterne, aber eine Klimaanlage und was noch viel wichtiger ist: Gratiszugang per Kabel ins Internet.

Morgen fahren wir weiter nach Osten.

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Kaffeegenuss

Es sind drei Genussmittel, die mich faszinieren, weil man für ihre Herstellung jeweils nur gerade ein einziges Naturprodukt benötigt, das dann mit Einfallsreichtum und grossem handwerklichem Geschick in ein Produkt verwandelt wird, das unvergleichliche Gaumenfreuden bereitet. Und das in einer Vielfalt, wie sie die Natur alleine nicht hervorbringen könnte. Es handelt sich um Whisky, Wein und Kaffee.

Wir haben gestern das Vergnügen gehabt, einen der exklusivsten Kaffees der Welt zu kosten. Der kommt aus St. Helena, das ist die Insel im Südatlantik, die auf halben Weg zwischen Amerika und Afrika liegt und wo einst Napoleon seine letzten Jahre verbracht hat.


Zwei Tassen dieses Kaffees kosten 12 Euro 90 also rund 2o Franken (wir haben selbst bezahlt). Das ist doch ein stolzer Preis. Allerdings inklusive MwSt., die in Deutschland abschreckende 19% beträgt.

Ganze zwölf Tonnen bester Kaffebohnen werden auf St. Helena im Jahr geerntet, von Hand und immer nur die gerade reifen Früchte. 1732 sollen die ersten Bohnen angebaut worden sein, die die Engländer aus dem Yemen hierher gebracht hatten. Doch ohne Napoleon hätte Europa von diesem Kaffee wohl kaum je etwas erfahren. Der damals berühmteste Häftling Europas widmete seine Zeit ausgiebig dem Kaffeegenuss, was sich auch in Frankreich herumsprach und einen kurzzeitigen Verkaufsboom auslöste.

Der intensive Kaffeeduft stieg einem schon draussen auf der Strasse in die Nase. Man brauchte ihm nur zu folgen. Es war klar, dass er zu einer Rösterei führen würde. Doch die füllt nur etwa einen Viertel des Raums, der Rest der "Speicherstadt Kaffeerösterei" ist ein Café, wo man die verschiedensten Kaffees gleich probieren kann.

Entscheidend für die Qualität des Kaffees in der Tasse ist der letzte in der Kette, der Barista, im Grunde genommen ein Künstler, dessen handwerkliches Geschick darüber entscheidet, ob edelste Bohnen in der Tasse ihr Potential auch tatsächlich entfalten.

Würde man zum Beispiel die frisch gemahlenen St. Helena-Bohnen mit einer Espressomaschine zubereiten, wäre der ganze Aufwand, den man zuvor bei der Pflege der Pflanzen, beim Pflücken, beim Rösten betrieben hat, für die Katz.


Am besten können sich die Aromastoffe in der Press-Stempelkanne entfalten, sagt Herr Kalikowski, der Leiter der Rösterei und des Cafés, mit dem ich das Vergnügen hatte, eine gute Dreiviertelstunde über Kaffee zu plaudern. Er schaute immer wieder auf die Uhr und erst als exakt fünf Minuten verstrichen waren, füllte er die beiden vorgewärmten Tassen, denn erst jetzt hat der St. Helena-Kaffee alle seine Aromen ins 90 Grad heisse Wasser abgegeben, das sich inzwischen auf rund 70 Grad abgekühlt hat.

Und schon beim ersten Schluck entfaltet er im Gaumen seinen vollen, aber trotzdem sanften, runden Geschmack entwickelt und wo sonst beim Kaffee eine leichte Säure folgt, bleibt hier der volle Kaffeegeschmack.

Wenn man sich noch tiefer auf diesen Kaffee einlässt – schwarz getrunken und ohne Zucker – entfalten sich im Gaumen noch weitere Aromen, die ich so intensiv noch bei keinem Kaffee erlebt habe und die für längere Zeit im Gaumen erhalten bleiben. Und danach folgt der ganze Körper und noch eine Stunde später spürt man, man hat Kaffee getrunken. Es war eine einzige Tasse gewesen.

Diese eine Tasse Kaffee hat meinem Kaffeegenuss eine völlig neue Dimension hinzugefügt, meine Reisebegleierin sieht das übrigens genauso.

Erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die Kaffeeproduktion wieder aufgenommen, mit den Resten der ursprünglichen Plantage, die man von den Dschungelgewächsen befreite. Die Mühe hat sich gelohnt. Auch finanziell. Ein halbes Kilo Rohkaffee kostet je nach Marktlage um die 90 Franken.

Die "Speicherstadt Kaffeerösterei" röstet den St. Helana selbstverständlich selbst und betreibt eigens für diesen und die andere Rarität, den Kopi Luwak, eine Röstmaschine für Kleinstmengen bis zu dreissigKilo Bohnen.

Um 09.02 fährt unser Zug von Hamburg-Dammtor ab Richtung Osten. Wie weit wir fahren werden, entscheiden wir unterwegs.

Freitag, Juli 31, 2009

Einkaufsstadt

,Hamburg ist eine der reichsten Städte Deutschlands. Über 80'000 Euro erwirtschaftet im Schnitt ein Hamburger im Jahr, das sind rund 38 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Die Stadt zählt 1,75 Einwohner, der Hafen ist nach Rotterdam der grösste Europas.

Wer Hamburg besucht und sich auf das konzentriert, was man als Tourist sehen will, der wird unschwer erkennen, dass die zweitgrösste Stadt Deutschlands ein Ort mit einer hohen Lebensqualität ist.


"Neuer Wall" heisst die Strasse, wo es die bekannten Modemarken zu kaufen gibt, auch die Schweiz ist präsent, mit Akris. Gleich um die Ecke unter den Alsterarkaden kann man anschliessend gemütlich einen Kaffee trinken. Sofern das Geld noch reicht.

Der südliche Lebensstil hat sich schon längst auch in Hamburg durchgesetzt, der sich nicht nur im Hang manifestiert, möglichst draussen sitzen zu können, sondern auch in den reichhaltig bestückten Speisekarten mit leichten Gerichten und Snacks, auf denen San Pellegrino ebenso aufgeführt ist, wie die Flaniermeilenweine Pino Grigio und Chardonnay.

Und wir lesen in einem dieser Stadtmagazine, die in jedem Hotelzimmer aufliegen, dass nach Quadratmeterzahlen die Einkaufspassagen in der Hamburger Innenstadt "die grössten in ganz Deutschland sind."

Und dann sind wir noch zufällig beim Chilehaus vorbeigekommen. Wie uns Wikipedia erklärt, handelt es sich um ein zehnstöckiges Kontorhaus aus dem den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Und wir haben mit eigenen Augen gesehen, dass es sich noch immer um einen wirklich imposanten Bau handelt. Es handelt sich um ein Stück Architektur, dass es nur in Hamburg gibt.

Im Parterre gibt es - Sie ahnen es - ein kleines Restaurant, wo man draussen sitzen kann und die San Pellgrino, Pino Grigio und ein paar leichte Snacks auf ihrer Karte haben (wie in Italien, nur kann man genau diesen Zusatz definitiv streichen und ersetzen durch: so wie es unserem mitteleuropäischen Lebensstil entspricht). Genau das haben wir gemacht, leichte Snacks und Pino Grigio bestellt und später paar Schritte weiter einen Espresso getrunken.

London und Hamburg, das wären so die beiden Städte, wo meine Reisegefährtin und ich uns vorstellen könnten, einmal längere Zeit, ein Jahr oder so, zu leben. Vorausgesetzt, man hat das nötige Kleingeld, dass man sich die Dinge leisten kann, die das Leben in einer Grossstadt angenehm machen.

Mal schauen.

Donnerstag, Juli 30, 2009

Die Eisenbahn

Auch die WELTWOCHE ist präsent.

Ich hatte mal eine Modeleisenbahn. Eine Wesa. Als ich sehr jung war, war Lokomotivführer noch ein Traumberuf, dshalb hatten alle Buben eine Eisenbahn. Eigentlich hatte mein Vater eine Eisenbahn. Denn jeweils vor Weihnachten bastelte er aus den Schienen und Weichen und Häusern jeweils eine neue Kulisse. Ich denke während Wochen. Und wenn wir Besuch hatten, wurde die Modelleisenbahn vorgeführt. Meistens funktionierten eine Lok, der Transformator oder eine Weiche genau dann nicht.

Schwedische Winterlandschaft

Alle paar Sekunden bleibt auch im MiniaturWunderland eine Lok stehen, macht ein Auto schlapp, fällt ein Lämpchen aus. Das ist allerdings nicht weiter verwunderlich. Schliesslich fahren hier derzeit fast 900 Züge rum, tun 1'200 Signale so, als würden sie den Verkehr regeln, leuchten 295'000 Lichter auf, wenn das Licht alle paar Minuten auf Nacht umstellt, sorgen 2'500 Weichen dafür, dass die Züge nicht zusammenstossen.

Die Überwachungsanlage: Alle paar Sekunden
fällt irgendwas aus.

MiniaturWunderland ist die grösste Modelleisenbahn der Welt. Und es steht ganz oben auf der Liste jener Orte in Hamburg, die man einfach sehen muss. Hört man immer wieder. Und tatsächlich muss man je nach Tageszeit mit erheblichen Wartezeiten rechnen.

Betonwerk

Gut, ich muss zugeben, dass wir zum einen wegen der Empfehlung von befi und zum anderen weil es thematisch zu unserer Zugsreise passt, hingegangen sind. Aber selbst Modelleisenbahnskeptiker wie ich können sich schon nach kurzer Zeit der Faszination, die von ihr ausgeht, nicht entziehen. Es sind diese mit viel Liebe zum Detail gestalteten Landschaften, welche die Qualität dieser Modelleisenbahnanlage ausmachen. Die 200'000 Figürchen stehen nicht einfach nur so da. Jedes einzelne ist Teil einer kleinen oder grösseren Szene.

Rasenmähen muss auch im Miniatur-Wunderland sein

Übrigens: Es gibt nicht nur eine Schweizer Landschaft - sie ist auch die aufwendigste Bereich - es gibt auch einen Prospekt für Schweizer auf Schweizerdeutsch. Die Engländer bekommen dasselbe auf Englisch, die Schweden auf Schwedisch, die Deutschen auf Deutsch - die Österreicher?

Ich selbst bin nie ein Modeleisenbahnbastler geworden. Doch die drei Locks und die zwölf Wägelchen habe ich noch immer.

Immer wieder wird es Nacht im Mini-Wunderland,
dann gehen tausende von Lämpchen an.

An der Anlage wird derzeit zügig weiter gebaut. Ein Flughafen kommt nächstens hinzu und Italien und Frankreich als weitere Länder. 2015 soll der Endausbau erreicht und rund 20 Mio. Euro verbaut worden sein.