Freitag, August 07, 2009

Basd scho

Das ist schon so...

Also die Geschichte läuft so: Nach der Schweinshaxe mit Knödel im Hofbräuhaus wollte ich mir noch kurz die Hände waschen. Da sass da an diesem Tisch dieser Bilderbuchbayer. Er schaute mich an und ich schaute ihn an und mir kam eigentlich nichts anderes in den Sinn als den ziemlich idiotischen Satz zu sagen: "Sind Sie ein original Münchner?" "Nein", sagte er, "ich bin ein Franke."

Und dann gab ein Wort das andere. Ich sei ihm auch aufgefallen, sagte er, "wegen dem Hut und wenn einer einen Hut trägt, dann ist er schon in Ordung, habe er gedacht". Ob mich setzen dürfe, habe ich daraufhin gesagt. Aber ja doch, meinte er, "aber dann machen wir gleich auf Du, ich heisse Manfred". Wahnsinn, dachte ich, und sagte: "Ich auch!" "Wahnsinn", sagte er. Dann bestellte er zwei Bier.

Gleicher Jahrgang, gleicher Vorname:
zwei Hutträger kommen sich näher.

So läuft das in München. Ich habe dann meine Reisebegleiterin aus dem Biergarten des Hofbräuhaus geholt.

Die Sache ist die: Wenn dieses erste Mass Bier vor einem steht - ich bevorzuge dunkles Bier - dann denkt man: diesen Liter schaffst du nie. Schon mit der zweiten Mass stellt sich diese Frage nicht mehr.

Das Hofbräuhaus ist voller Touristen aus aller Herren Länder. Und dazwischen sitzen diese Männer in ihren bayrischen Trachten. Nun könnte man ja auf die Idee kommen, dass die aus Gründen der Folklore hier sitzen, was aber ziemlich falsch ist. Denn die Männer in ihren Lederhosen und unterschiedlichsten Kopfbedeckungen sind Mitglieder von Stammtischen.

Jeder Stammgast hat seinen eigenen Biergkrug.

Wie sich herausstellte, hatten wir das Vergnügen, den Abend mit den Königstreuen, den Anhängern des Hauses Wittelsbach zu verbringen. Die treffen sich jeden Freitag im Hofbräuhaus. Heute waren es nur sechs, ansonsten sind es fünfzehn oder noch mehr. Manfred fährt jeden Freitag gut fünfzig Kilometer mit dem Zug zu seinem Stammtisch und mit dem letzten wieder zurück nach Hause. Wahnsinn.

Für die Anhänger des Hauses Wittelsbach kommt die Bezeichnung "Freistaat Bayern" nur widerwillig über die Lippen. "Für uns ist Bayern das Königreich Bayern, was euch Schweizern wohl etwas seltsam anmutet", sagt der Manfred. "Wir sind halt Royalisten."

Neue Hosenträger für Klausi.
Der Herr mit dem Schnauz ist ein Südtiroler und
gehört zu einem anderen Stammtisch.

Vielleicht muss man deshalb wissen, dass es sich beim Hause Wittelsbach um eines der ältesten Adelsgeschlechter Deutschlands handelt und dieses seit dem Jahr 1000 in Bayern eine Rolle spielt. Nach dem 1. Weltkrieg war dann für die aus dem Hause Wittelsbach fertig lustig. Eine Revolution fegte den letzten vom Thron. Er soll es recht gelassen genommen haben.

Bei Wikipedia findet sich vor dem Hintergrund unserer Reise noch ein interessanter Hinweis: Der derzeitige Chef des Hauses Wittelbach, der Franz von Bayern, ist gleichzeitig auch Chef des Hauses Stuart. Habe ich die Stuarts nicht in Edinburgh gesehen, beim Vorbeimarsch der Clans? Dann müsste also ist dort der Franz mitmarschiert sein. Wahnsinn.

Ein alter Bierkrug, Klausi will wissen,
ob der auch tatsächlich 200 Euro wert ist.
Ja, sagt Manfred.

Doch zurück zu unserem Stammtisch. Nach und nach kamen auch die anderen, der Rudi, der Alfonso, der Klausi, der Max. Und später noch der Willi. Nun ist es nicht so, dass da jeder Stammtisch eine Insel für sich bildet. Die Stammtische rundherum gehören mit zum erweitereten Bekanntenkreis, man besucht einander und redet miteinander über den neuen Hut oder die Hosenträger oder weiss ich über was.

Das Stichwort, das mir spontan dazu einfällt ist Herzlichkeit. Die mögen sich, die respektieren sich, die freuen sich, einander jeden Freitag zu sehen. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, was da einer ausserhalb seiner Lederhosen für eine berufliche Tätigkeit ausübt. Das Motto lautet: "Basd scho". Was soviel bedeutet wie "ist schon in Ordnung." Der Manfred ist Sozialpädagoge.

Die Brotzeit wird selbst
mitgebracht: Köstlichkeiten aus Franken.

Der Stammtisch der „Wittelsbacher“ hält es so, dass es gegen sechs Uhr Brotzeit gibt. Sie haben mit dem Wirt des Hofbräuhauses vereinbart – das Hofbräuhaus gehört dem Freistaat Bayern und wird verpachtet –, dass sie ihre eigene Brotzeit mitbringen dürfen. Jeder ist mal dran, die anderen zu verköstigen. Dieses Mal war die Reihe an Manfred und der hatte Wurstköstlichkeiten aus Franken mitgebracht sowie Oliven aus Kreta „von einem Bekannten“. Alfonso, der Käse verkauft, steuerte einen Camembert bei.

Na ja und nach der Brotzeit und dem nächsten Mass gab es eine Runde Schnupftabak. Und wir redeten über dieses jenes und kamen dann auf Hubert von Goisern zu sprechen, der die Volksmusik revolutionieren wollte und den ich mal an einem Konzert in Basel erlebt habe. Den kennt der Manfred schon seit Jahren persönlich. Die Welt ist klein.

Die Mitglieder eines Stammtisches
kaufen sich spezielle Münzen
zum Bezahlen für ihr Bier. Mit Rabatt.

Mein Lieblingssong von Hubert von Goisern ist „Hörst es net, wie die Zeit vergeht“ und irgendwie passte der Text zu diesem Abend, denn Manfred und ich haben nicht nur den selben Jahrgang sondern sind auch fast am selben Tag zur Welt gekommen. Wahnsinn.

Ich mag München und die Bayern sowieso und selbstverständlich auch die Franken. An irgendeinem Freitag werde ich nach München fahren und mich an den Tisch der "Wittelsbacher" setzen. Sie werden sich freuen und ich mich auch und dann werden wir zufrieden mit uns und der Welt feststellen: "Basd scho."

3 Kommentare:

  1. Oh la la - was für ein wunderbare, liebevoll beobachtete und erlebte Geschichte. Ich hab lachen, das Bier schmecken und den Käse mit Oliven beim Lesen riechen können. Und alles auf bayrisch und fränkisch mit den Augen "hören" können. Passt scho.

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  2. Als langjaehriger Muenchner und mittlerweile "neig'schmeckter" Romand kann ich MM und meinem Vor-Kommentator nur gratulieren! So "richtig" wahrgenommen, so praezise und in der Tat so liebevoll und auch komisch berichtet - eine wahre Lese-Wonne!
    (Da faellt mir ein: Ich sollte bald mal wieder nach Muenchen fahren...)
    Herzlichen Dank aus Genf

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  3. Einfach schön. Aber das versteht man nur in den Alpenländern. Und vielleicht in Schottland.

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