Sonntag, August 09, 2009

Das war's


Wir sind wieder zu Hause, nach vier Wochen Bahnfahrt quer durch Europa. Es war eine spannende, eine abwechslungsreiche Zeit und wie man so schön sagt: Die Reise erweiterte unseren Horizont.

Eines hat sich jedoch bestätigt: Europa ist und bleibt mein Lieblingskontinent. Wo anders kann man in nur zwei, drei Stunden Bahnfahrt von einer Kultur in eine völlig andere wechseln? Auch wenn, zugegeben, die uns allen bekannten Marken das Leben dieser Europäer von West nach Ost von Nord nach Süd entscheidend mitprägt.

Wirtschaftskrise
Überhaupt dieses Europa in der Wirtschaftskrise. Natürlich gibt es die. Und natürlich gibt es Unterschiede in der Lebensqualität. Barcelona, London, Hamburg, München, auch Budapest - die spielen selbstverständlich in einer anderen Liga. Aber für mich erstaunlich: York und Krakau sind vergleichbar, Edinburgh und Wrozlaw auch. Die Lebensverhältnisse haben sich in Europa in den letzten Jahren stark angeglichen, nach oben.

Und wir fragten uns: Was ist landestypisch, beispielsweise beim Essen. Die Auswahl an französischen Käsen ist in London, München und Hamburg, aber selbst in Budapest (fast) genau so reichhaltig wie in Bordeaux. Wobei die regionalen Käsesorten dank der kontinentaleuropäischen Konkurrenzsituation nicht zu verachten sind. Im Gegenteil, die können mit den Franzosen spielend mithalten. Dies ist nur ein Beispiel. Vielleicht nicht so spektakulär, weil für uns so selbstverständlich: In allen Ländern gibt es ein überbordendes Angebot an frischem Gemüse und Früchten, an Bieren und Weinen. Welch reicher Kontinent!

Sandwiches
Wobei man die in Europa im Grunde genommen dominierende kulinarische Sparte nicht ausser Acht lassen darf: Die Sandwiches. Hier hat sich inzwischen eine Qualität etabliert, die so ein Sandwich nicht mehr zu einem Hungerstopfverlegenheitsobjekt deklassiert - man denke etwa an das italienische "Toast" in einer Bar - sondern zu einem hochwertigen, kulinarisch durchaus akzeptablen Genuss für solche Gelegenheiten, wo man halt unkompliziert etwas Essen möchte. Wir des öfteren zum Sandwich gegriffen und dabei leckere lokale Käse- und Schinkensorten entdeckt.

Ich kann eine solche Zugsreise mit einem InterRail-Ticket wärmstens empfehlen. Das Preis-Leistungsverhältnis ist ausgezeichnet. Vier Wochen ist eine gute Zeit. Man muss nicht hetzen und kann doch einiges sehen. Nebenbei: 1. Klasse ist eindeutig bequemer als die 2. Die 1. Klasse ist auch im Gegensatz zur 2. nie überfüllt und man hat einfach mehr Platz für sich und das Gepäck.

Es ist viel unkomplizierter mit dem Zug zu reisen, als wir uns das vorgestellt haben. Die Bahn ist schnell und man kommt immer mitten in der Stadt an. Beispielsweise in München, wo der Bahnhof fünf Minuten von der Fussgängerzone weg liegt. An jedem Bahnhof findet der Reisende mindestens ein Hotel, wir hatten nicht ein einziges Mal das Problem, ein Zimmer zu finden. Mal sind sie top, wie in München, mal sind sie, na ja, wie in Perpignan. Aber genau das macht den Reiz einer solchen Reise aus.

Neue optische Einsichten
Der Zug ist schnell und wenn der Zug, wie in Polen ziemlich langsam durch die Gegend zuckelt, hat auch das seinen Charme. Was der Autofahrer jedoch mit Verblüffung feststellen wird: Der Zug ermöglicht es, von der Reiseroute einen völlig anderen optischen Eindruck zu gewinnen, als mit dem Auto. So sieht man links und rechts der Bahnstrecke zumeist nichts als Wiesen und Felder. Der Autofahrer hingegen sieht vor allem dieses graue Strassenstück vor sich und viele andere Autos. Und wenn der Beifahrer sagt, "schau mal dort drüben", ist man am Überholen und muss auf den Rückspiegel und die Autos vorne achten.

Meine Reisebegleiterin und ich bedanken uns bei allen, die unsere Reise bis hierher mitverfolgt haben und auf Facebook und im Blog Kommentare hinterlassen und Tipps gegeben haben. Wir hoffen, etwas Unterhaltung geboten und auch ein paar interessante Erkenntnisse weitergegeben zu haben.

Und das waren unsere Stationen:
Marseille Perpignan Barcelona
Riba-roja d'Ebre Pamplona Bordeaux
La Rochelle London York Edinburgh Inverness
Brüssel Hamburg Wroclaw Krakau
Tarnów Budapest München

Und das sind die Posts, die mir persönlich am besten gefallen:
Fischers Paradies Juan Mr Sitch Hoffen auf Loch Ness
Edinburgh Kaffeegenuss Geschichte München Basd scho

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Samstag, August 08, 2009

Letzte Zugsfahrt

Der InterCity bringt uns von München nach Stuttgart, mit freundlicher Zugsbegleitung. In Polen ist so ein Kondukteur noch eine Mischung aus Polizist und Bahnbeamter.

Das bedeutet, dass so ein bahntechnisches Mischwesen sich immer leicht düpiert fühlt, wenn du es gewagt hast, SEINEN Zug zu besteigen. Und wenn er nichts auszusetzen hat, an deinem Billet - wir haben schon wüste Beschimpfungen miterlebt - markiert er völlig unötig UNSER Global Ticket mit seinem Schnörkel.

Ganz anders in den westeuropäischen Ländern. Hier bringt dir der Zugsbegleiter, nachdem er dein Ticket kurz angeschaut hat, das Frühstück an deinen Platz. Ausser in der Schweiz. Diese Bähnler ringen noch mit ihrer neuen Rolle.

In Stuttgart steigen wir um in den Zug nach Basel.

Freitag, August 07, 2009

Basd scho

Das ist schon so...

Also die Geschichte läuft so: Nach der Schweinshaxe mit Knödel im Hofbräuhaus wollte ich mir noch kurz die Hände waschen. Da sass da an diesem Tisch dieser Bilderbuchbayer. Er schaute mich an und ich schaute ihn an und mir kam eigentlich nichts anderes in den Sinn als den ziemlich idiotischen Satz zu sagen: "Sind Sie ein original Münchner?" "Nein", sagte er, "ich bin ein Franke."

Und dann gab ein Wort das andere. Ich sei ihm auch aufgefallen, sagte er, "wegen dem Hut und wenn einer einen Hut trägt, dann ist er schon in Ordung, habe er gedacht". Ob mich setzen dürfe, habe ich daraufhin gesagt. Aber ja doch, meinte er, "aber dann machen wir gleich auf Du, ich heisse Manfred". Wahnsinn, dachte ich, und sagte: "Ich auch!" "Wahnsinn", sagte er. Dann bestellte er zwei Bier.

Gleicher Jahrgang, gleicher Vorname:
zwei Hutträger kommen sich näher.

So läuft das in München. Ich habe dann meine Reisebegleiterin aus dem Biergarten des Hofbräuhaus geholt.

Die Sache ist die: Wenn dieses erste Mass Bier vor einem steht - ich bevorzuge dunkles Bier - dann denkt man: diesen Liter schaffst du nie. Schon mit der zweiten Mass stellt sich diese Frage nicht mehr.

Das Hofbräuhaus ist voller Touristen aus aller Herren Länder. Und dazwischen sitzen diese Männer in ihren bayrischen Trachten. Nun könnte man ja auf die Idee kommen, dass die aus Gründen der Folklore hier sitzen, was aber ziemlich falsch ist. Denn die Männer in ihren Lederhosen und unterschiedlichsten Kopfbedeckungen sind Mitglieder von Stammtischen.

Jeder Stammgast hat seinen eigenen Biergkrug.

Wie sich herausstellte, hatten wir das Vergnügen, den Abend mit den Königstreuen, den Anhängern des Hauses Wittelsbach zu verbringen. Die treffen sich jeden Freitag im Hofbräuhaus. Heute waren es nur sechs, ansonsten sind es fünfzehn oder noch mehr. Manfred fährt jeden Freitag gut fünfzig Kilometer mit dem Zug zu seinem Stammtisch und mit dem letzten wieder zurück nach Hause. Wahnsinn.

Für die Anhänger des Hauses Wittelsbach kommt die Bezeichnung "Freistaat Bayern" nur widerwillig über die Lippen. "Für uns ist Bayern das Königreich Bayern, was euch Schweizern wohl etwas seltsam anmutet", sagt der Manfred. "Wir sind halt Royalisten."

Neue Hosenträger für Klausi.
Der Herr mit dem Schnauz ist ein Südtiroler und
gehört zu einem anderen Stammtisch.

Vielleicht muss man deshalb wissen, dass es sich beim Hause Wittelsbach um eines der ältesten Adelsgeschlechter Deutschlands handelt und dieses seit dem Jahr 1000 in Bayern eine Rolle spielt. Nach dem 1. Weltkrieg war dann für die aus dem Hause Wittelsbach fertig lustig. Eine Revolution fegte den letzten vom Thron. Er soll es recht gelassen genommen haben.

Bei Wikipedia findet sich vor dem Hintergrund unserer Reise noch ein interessanter Hinweis: Der derzeitige Chef des Hauses Wittelbach, der Franz von Bayern, ist gleichzeitig auch Chef des Hauses Stuart. Habe ich die Stuarts nicht in Edinburgh gesehen, beim Vorbeimarsch der Clans? Dann müsste also ist dort der Franz mitmarschiert sein. Wahnsinn.

Ein alter Bierkrug, Klausi will wissen,
ob der auch tatsächlich 200 Euro wert ist.
Ja, sagt Manfred.

Doch zurück zu unserem Stammtisch. Nach und nach kamen auch die anderen, der Rudi, der Alfonso, der Klausi, der Max. Und später noch der Willi. Nun ist es nicht so, dass da jeder Stammtisch eine Insel für sich bildet. Die Stammtische rundherum gehören mit zum erweitereten Bekanntenkreis, man besucht einander und redet miteinander über den neuen Hut oder die Hosenträger oder weiss ich über was.

Das Stichwort, das mir spontan dazu einfällt ist Herzlichkeit. Die mögen sich, die respektieren sich, die freuen sich, einander jeden Freitag zu sehen. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, was da einer ausserhalb seiner Lederhosen für eine berufliche Tätigkeit ausübt. Das Motto lautet: "Basd scho". Was soviel bedeutet wie "ist schon in Ordnung." Der Manfred ist Sozialpädagoge.

Die Brotzeit wird selbst
mitgebracht: Köstlichkeiten aus Franken.

Der Stammtisch der „Wittelsbacher“ hält es so, dass es gegen sechs Uhr Brotzeit gibt. Sie haben mit dem Wirt des Hofbräuhauses vereinbart – das Hofbräuhaus gehört dem Freistaat Bayern und wird verpachtet –, dass sie ihre eigene Brotzeit mitbringen dürfen. Jeder ist mal dran, die anderen zu verköstigen. Dieses Mal war die Reihe an Manfred und der hatte Wurstköstlichkeiten aus Franken mitgebracht sowie Oliven aus Kreta „von einem Bekannten“. Alfonso, der Käse verkauft, steuerte einen Camembert bei.

Na ja und nach der Brotzeit und dem nächsten Mass gab es eine Runde Schnupftabak. Und wir redeten über dieses jenes und kamen dann auf Hubert von Goisern zu sprechen, der die Volksmusik revolutionieren wollte und den ich mal an einem Konzert in Basel erlebt habe. Den kennt der Manfred schon seit Jahren persönlich. Die Welt ist klein.

Die Mitglieder eines Stammtisches
kaufen sich spezielle Münzen
zum Bezahlen für ihr Bier. Mit Rabatt.

Mein Lieblingssong von Hubert von Goisern ist „Hörst es net, wie die Zeit vergeht“ und irgendwie passte der Text zu diesem Abend, denn Manfred und ich haben nicht nur den selben Jahrgang sondern sind auch fast am selben Tag zur Welt gekommen. Wahnsinn.

Ich mag München und die Bayern sowieso und selbstverständlich auch die Franken. An irgendeinem Freitag werde ich nach München fahren und mich an den Tisch der "Wittelsbacher" setzen. Sie werden sich freuen und ich mich auch und dann werden wir zufrieden mit uns und der Welt feststellen: "Basd scho."

Englischer Garten

Mittagspause im Englischen Garten. Nach einer guten Dreiviertelstunde
haben wir es aufgegeben, weiterzugehen. Es gibt eine erhebliche
Diskrepanz zwischen dem optischen Eindruck, den mein Navi hinterlässt
und der Realität Massstab 1:1. Kunsstück, der Englische Garten ist
grösser als der Central Parc in New York! Ergo haben wir uns einfach
hingefläzt und daran ändern wir nun vorerst mal gar nichts!

Donnerstag, August 06, 2009

München

Da blieb nun jeder Mann stehen und wer
hatte, zückte den Fotoapparat.

Was soll man über München noch sagen. Wir waren schon öfters hier. Wenn man öfters irgendwo hin fährt, dann kann man tatsächlich auch tiefer in eine Stadt eintauchen. D.h. man könnte. An München mag ich, dass wir hier einfach oberflächlich sein können.

München ist eine Genussstadt. Der Wohlstand ist greifbar. Ähnlich wie in Hamburg. Doch in München ist dieser Wohlstand, der Luxus einfach lustvoller und auch beschaulicher.

Man kommt mit den Leuten recht schnell ins Gespräch. Zum Beispiel im Biergarten im Viktualienmarkt bei einer Brotzeit (Obazda: Camembert, Limburger, Sahne, Butter, Salz, Pfeffer, Zwiebel, Paprikapulver; dazu eine grosse Bretzel und Bier). Da setzt sich also ein echter Münchner an unseren Tisch, zusammen mit seiner Frau und einem Ehepaar aus Dresden.

Und so sieht das Ding von hinten aus....

Da erwartet man, dass nun Bodenständiges beredet wird, zum Beispiel über Politik oder so. Aber nein, nach fünf Minuten und nach kräftigem zuprosten landen wir bei so tiefschürfenden Themen wie Wiedergeburt, Okkultismus, ein toter Freund, der die Türe zuschlägt, der verstorbene Ehemann, der am Bild kratzt (die Frau aus Dresden) und so weiter. Dabei trägt der Mann eine bayrische Trachtenjacke! (Ich bin übrigens aus dem Alter heraus, wo ich so etwas noch als "Wink des Schicksals" begreifen würde.)

Was im Stadtbild auffällt, sind nicht Bayern in Lederhosen und Bayrinnen in Dirndln, sondern Saudis und Golfstaatler, überwiegend junge Frauen und Männer. Die jungen Frauen bedecken ihre hochgesteckten Haare mit einem Kopftuch, aber das ist mehr ein adrettes modisches Accesoir zur westlichen Kleidung, die sie tragen. Es scheint so, als ob die strengen Verhüllungsvorschriften für München nicht gelten.

Meine Reisebegleiterin, die mehr davon versteht und dazu noch über einen ausgeprägt guten Geruchssinn verfügt, sagt, dass die Frauen von sehr teurem Parfumes umhüllt seien.

...und so von vorne.

"Sie lieben offensichtlich München",
sagt uns eine Düsseldorferin beim Kaffee in der Maximilianstrasse, die schon längere Zeit am Chiemsee wohnt und als Trendscoutin für die Schuhindustrie arbeitet. Sie verdreht etwas genervt die Augen. "Die bleiben meistens mehrere Wochen in München und belegen in den teuren Hotels ganze Stockwerke." Aber jetzt, wo die Krise da sei (ich schaue mich erschrocken um, sehe aber nichts), sei das halt schon gut, für die teuren Hotels.

Sie sei nach München gekommen, um ein wenig Barrengold zu kaufen (meine Reisebegleiterin ist meine Zeugin, dass ich hier nicht irgend einen Quark schreibe), dann entsinnt sie sich ihrer Tasche, die sie neben sich auf den leeren Stuhl gelegt hat, packt sie und stellt sie zwischen uns auf den Boden.

Und so von innen. Ja, ja, infantil, meine ich auch.

Ich sage ihr, dass ich eigentlich aus Konstanz komme, mein Schweizer Akzent nur gespielt sei und ich mich auf's Klauen von Frauenhandtaschen spezialisiert hätte. Sie lacht und glaubt mir kein Wort.

Wir sind uns übrigens auch an unserer letzten Station treu geblieben und haben in einem Hotel gleich beim Bahnhof eingecheckt.

Auf dem Weg nach München


Wir sind im „Railjet“ der OeBB unterwegs nach München, in einem dieser supermodernen Hochgeschwindigkeitszügen mit Ledersitzen und reichlich Platz. Zwischen diesem Zug und jenem, den wir zwischen Krakau und Tarnów erwischt hatten, liegen gut vierzig Jahre Bahnentwicklung. In Polen und den anderen Oststaaten bauen sie zuerst Autobahnen und später erst ein modernes Eisenbahnnetz. Ganz nach unserem Vorbild.

Eigentlich wollten wir in Wien Halt machen. Sind ja nur zweieinhalb Stunden von Budapest nach Wien. Doch von Wien nach Basel sind es dann über zehn Stunden mit dem Zug. Und das ist uns zu viel des guten, zumal man auch mitten in der Nacht einmal umsteigen müsste.

Einen Laptop mit dabei zu haben, noch besser: ein Notebook, ist ein Muss, weil der Zugang zum Internet das Leben auf Reisen ungemein vereinfacht. Zum Beispiel, wenn man sich ein Hotel sucht oder was wissen will (Schnellbleiche in ungarischer Geschichte).

In den letzten beiden Wochen hatten die Hotels immer entweder Kabelanschluss oder WiFi. Internetzugang sollte zum Standard werden, wenigstens nützte dieser uns mehr, als das Fernsehgerät im Zimmer wie in Polen, wo du eh kein Wort verstehst. (Die synchronisieren die amerikanischen Serien nicht, sondern ein Sprecher liest den Text aller Schauspieler vom Blatt.)

Die 200 MB-Grenze habe ich bis jetzt nur beim iPhone überschritten und deshalb für den August nochmals eine günstige 125-Franken-Pauschale gebucht. Der Kartenaufbau für das iPhone-Navi braucht relativ viele MBs.

Man braucht den Internetanschluss, um in aller Ruhe seine nächste Etappe planen zu können. Um sich halt nach ein zwei Stunden Stadtbummel wieder eines anderen zu besinnen und schnell mal nachzuschauen, ob diese Änderung des Planes auch machbar ist. Denn das wirklich Praktische an den InterRail-Tickets ist ja, dass man sich noch auf dem Bahnsteig, wie wir das auch schon gemacht haben, anders entscheiden kann.

Akzeptable Tagesstrecken dauern fünf, höchstens sieben Stunden. Wenn man früh am Nachmittag am Zwischenziel ankommt, hat man genügend Zeit, sich um zu sehen. Und sich dabei zu bewegen.

Die grossen Städte sind trotz U-Bahn anstrengend (der Strassenverkehr in Budapest beispielsweise ist echt mühsam). Die nächsten beiden Tage möchten wir unsere vierwöchige Tour relaxt ausklingen lassen. Und Geld ausgeben für Dinge, die man nicht unbedingt haben muss. Welche Stadt eignet sich für beides besser als München?

Am Samstag geht es dann weiter nach Dornach-Arlesheim, dem Ziel unserer Reise.

Geschichte

Herr Gabor, ein Fürst

Was mich an diesem Ausflug in Europas Osten am meisten in Verlegenheit bringt, sind diese Denkmäler, die man in jedem grösseren Ort antrifft. Es werden Fürsten und Denker gewürdigt, von deren Existenz ich zumeist keine Ahnung habe.

Da ist zum Beispiel Herr Gabor. Er hat in Ungarn zwischen 1613 bis 1629 eine derartig wichtige Rolle gespielt, dass man ihn zusammen mit ein paar anderen auf einem riesigen Platz mit einem riesigen Denkmal für (fast) alle Ewigkeit lobpreist.

Nun kann man sich bei Wikipedia einen kurzen Überblick über die ungarische Geschichte verschaffen, wobei ich lese, dass "Ungar" eine slawische Bezeichnung ist, und dass es korrekterweise "Magyar" heissen müsste.

Und wenn ich diesen kurzen geschichtlichen Abriss lese, dann werden mir die Ungarn noch rätselhafter als ihre Sprache. Denn bisher konnte ich sie in den zeitlich und historischen Raster der k.u.k-Monarchie, des 1. und 2. Weltkrieges, der kommunistischen Diktatur, 1956 und dann ab 1989, dem Jahr, seit dem sie zu "uns" gehören, einordnen.

Jetzt erfahre ich, dass es da auch noch den Herrn Gabor, den Kuruzenaufstand und Árpád und Stephan den Heiligen und so weiter und so fort gibt.

Ich habe nur eine Ausrede, warum ich das alles nicht weiss: weil es mich nicht wirklich interessiert.

Als eingefleischtem Referendumsdemokraten ist mir die Verehrung von Fürstendenkmälern zudem irgendwie suspekt. Sie wirken auf mich in ihrem in Bronze gegossenen Pathos halt genau so lächerlich, wie die Statue von Stalin, welche die Ungarn im Jahr 56 in ihrem Freiheitsdrang gesprengt haben und von dem jahrelang lediglich die Stiefel übrig blieben.

Der Freiheitsdrang zieht sich übrigens als roter Faden durch die magyiarische Geschichte. Das kennen wir ja auch.

Mittwoch, August 05, 2009

Ungarisch

Let's face it, Ungarisch ist eine Sprache, die man nicht beherrschen muss. Zwischen 13 und 15 Millionen Menschen ab drei Jahren sprechen Ungarisch, eine Sprache, bei der man als Mitteleuropäer in den wenigsten Fällen herausfinden kann, von was die eigentlich reden oder schreiben, wie zum Beispiel dieses Wort zwischen "Magyar" und "Muzeum", wobei es dieser Accent auf dem "u" auch nicht unbedingt bräuchte.

Will man Ungarisch so im Sinn "das tönt doch wie" sprachlich eine Richtung geben, dann kommt einem als naheliegenste Variante nicht etwa das Finnische in den Sinn, obwohl die beiden Sprachen miteinander verwandt sein sollen, sondern eher Türkisch: "Úgy érzi" ist Ungarisch und "yemek yediği" ist Türkisch. Tönt doch irgendwie ähnlich. Und schliesslich hatten sich einst die Türken für immerhin 180 Jahre in Ungarn niedergelassen. Es gab tatsächlich mal eine Theorie, welche dem Ungarischen eine Verwandschaft mit den Turksprachen zuschrieb. Sie ist widerlegt.

Bei Wikipedia lesen wir das Folgende:
Die etablierte Sprachwissenschaft ordnet das Ungarische zusammen mit dem Chantischen und dem Mansischen, den Sprachen zweier indigener Völker Westsibiriens mit jeweils wenigen tausend Sprechern, der ugrischen Untergruppe der finno-ugrischen Sprachen zu. Die finno-ugrischen Sprachen wiederum bilden zusammen mit der kleinen Gruppe der samojedischen Sprachen die uralische Sprachfamilie.
Das ist so kryptisch wie das Ungarische selbst. Also muss es stimmen. Ach ja, es handelt sich um das Ungarische Landwirtschaftsmuseum.

Regen

Premiere: Zum ersten Mal in diesen vier Wochen regnet es in Strömen.
Auch in dieser Hinsicht ist Budapest eine Reise wert. Ein Regengedicht:

Der Regen kommt, wann es ihm passt.
Es giesst so manche Stunde.
Der Regen trommelt ohne Hast
und bleibt ein Weilchen unser Gast.
Wir fluchen eine Runde.

Dönerkebab


Wir können es bezeugen: Der Siegeszug des Dönerkebab, des „sich drehenden Grillfleisches“ ist vollendet. Es gibt in Europa keine dönerfreie Stadt mehr. Der Döner hat in Europa die einstige Vormachtstellung des Hamburgers innert weniger Jahre definitiv und für immer geschleift.

Jeder der will, kann ein Kebab-Lokal eröffnen und Döner verkaufen. Jeder? Nicht ganz. Denn der Vertrieb von Döner ist fest in der Hand von Türken und das in ganz Europa, sogar in Polen und Ungarn, wo es noch nicht sehr viele Ausländer gibt.

Das ist die zweite bemerkenswerte Tatsache. Es sind ausschliesslich kleine türkische Familienbetriebe, die Dönerkebab anbieten. Sie suchen sich die geeignete Lokalität – immer an bester Fussgängerlage, zahlen Infrastruktur und Miete und beziehen die zwei bis zehn Kilo schweren Fleischspiesse von einem zentralen Lieferanten.

Dieses Geschäftsmodell funktioniert offensichtlich derart gut, dass trotz des Erfolgs des in warmes Fladenbrot geschabten Fleisches noch keiner den Aufbau einer Döner-Fastfood-Kette gewagt hat.

Interesssant ist die Sache mit den Markenrechten: Während diese bei MacDonald’s klar geregelt sind und jedes Mc gleich eine Abmahnung des Grosskonzerns zur Folge hat, kann jede Dönerbude, sich mit „Döner“ und „Kebab“ bezeichnen und wenn zwei, drei oder noch mehr Lokale nebeneinander stehen, dann heissen alle so, ohne dass es den Konkurrenten weiter stört. Denn niemand besitzt die Markenrechte an der Bezeichnung „Dönerkebab“.

Doch gerade dieser Markenanarchismus nützt allen gleichermassen. Während für den BiMac und seine Verwandten Millionen für Werbung ausgegeben werden müssen, kann man sich das beim Döner das sparen. Jeder wirbt für jeden, die Konsumenten wissen, was sie erwartet: Fleisch, Salat, Tomaten in einem zur Hälfte aufgeschnittenen Fladenbrot oder eingerollt in dünnen Fladenbroten als Dürüm.

Allerdings: Was für Fleisch auf so einen Spiess kommt, ist manchmal ziemlich zweifelhaft. Und im Grunde genommen schmeckt so ein Döner auch nach nichts, würde nicht reichlich ebenfalls vorgefertigte Tunke, mal mehr oder weniger scharf, darüber geschüttet. Ohne diese Aromakeule hätte Dönerfleisch den Charme von frisch geschnittenem Karton.

Wir haben uns auf unserer Europatour auch mal einen Döner gegönnt. Er schmeckte wie zuhause.