Dienstag, Juni 30, 2009

Wir waren noch nie in Marseille

Es ist ja nicht so, dass diese Zugsreise das alles beherrschende Thema ist. Es gibt da noch zwei Projekte, die bis Donnerstag in einer Woche über die Bühne müssen. Unbedingt.

Auf der anderen Seite sollte man sich allmählich schon Gedanken darüber machen, ob man nun besser gen Westen Richtung Portugal oder zunächst rauf nach Schottland fahren soll. Ein längerer Spaziergang gestern Abend brachte keine Klärung.

Wer die Wahl hat, hat auch die Qual. Der Satz ist zwar abgedroschen, doch er hat was. Für die westliche Route spricht das Wetter: Endlich mal Sommer. Für Schottland aber auch: Nicht so heiss. Das zeigt mir zumindest der Wetterbericht auf meinem iPhone an: In Edinburgh soll es zum Wochenende kühle 18 Grad warm werden, dazu noch Regen. Für Lissabon hingegen werden sommerliche 28 Grad erwartet. Und strahlender Sonnenschein. Gut, das kann sich bis in einer Woche noch ändern.

Vielleicht fahren wir zuerst nach Polen. Meine Favoritin unter den polnischen Städten ist eindeutig Krakau. Mitten in der Stadt findet sich dieser wirklich sensationell schöne Marktplatz, einer der grössten mittelalterlichen Plätze Europas, stolze 200 mal 200 Meter gross. Das Herzstück der Stadt hält dem Vergleich mit dem Markusplatz in Venedig spielend stand, auch was die Cafés und Restaurants anbelangt.

Zudem sollen die Zugsverbindung vorzüglich sein, lese ich. Man achtet ja jetzt auch auf solche Details.

Da fällt mir ein: Wir waren noch nie in Marseille...

Kommentare und Reisetipps

Montag, Juni 29, 2009

Von Ohrhörern und anderen Gadgets

Übers Wochenende sind wir in Gedanken mal die Packliste durchgegangen. Das mit den Kleidern und den anderen Utensilien, die man so braucht, ist eher nebensächlich. Wir reisen schon seit Jahren immer mit kleinem Gepäck. Gezwungenermassen.

Denn die Motorradtaschen unseres BMW-Cruisers fassten nur das Nötigste und später, als wir mit einem Cabrio eines deutschen Sportwagenherstellers wegfuhren, liessen der Kofferraum und der spärliche Platz auf den beiden Notsitzen auch nur Handgepäck zu.

Das angenehme an Europa ist ja, dass es überall Läden gibt. Hat man was vergessen oder ändert das Wetter völlig unerwartet, wie damals mitten im Sommer in Sigüenza in Zentralspanien, als die Temperaturen auf kühlen 16 Grad verharrten, kann das Fehlende zugekauft werden. Zum Beispiel eine Wollmütze mitten im Sommer. Wir sind übrigens nur wegen des Ortsnamens dort vorbeigefahren.

Während das Necessaire meiner Reisebegleiterin immer wie voluminöser wurde, nahm bei mir die Elektronik, die wir unbedingt mitnehmen müssen, fast schon gigantische Ausmasse an.

Es ist also nicht der Alltagskram, sondern all die Gadgets, die du mitnehmen musst, samt zugehörigen Adaptern und Kabeln, die heutzutage das Reisegepäck belasten.

Gestern beispielsweise habe ich noch neue Kopfhörer bestellen müssen. Für meinen iPod. Passen auch zum iPhone. Die Sonntagszeitung trägt die Verantwortung, habe ich meiner Reisebegleiterin gesagt, als sie mir die Frage stellte, die bei solchen Anschaffungen nur Frauen stellen: "Was haben denn die Kopfhörer gekostet?"

Ich sagte ihr gleich nach dem Preis (sie sind schon es bitzeli teuer), hätten die nicht darüber geschrieben und wie ich festgestellt, dass die weissen Standarddinger nichts taugen, ich wäre nie auf die Idee gekommen. Und überhaupt: Auch du bist froh, wenn e.s.t nicht scheppern und du bei der 9. den vollen Sound im Ohr hast. Oder bei Vivaldi.

„Und überhaupt, sind das keine Kopfhörer, sondern Ohrhörer mit Studioqualität.“ Schreiben die auf ihrer Website. „Solche Ohrhörer, die hast du ewig.“

Sollten sie uns auf unserer Reise nicht frühzeitig geklaut werden.

Kommentare und Reistipps der Leser

Freitag, Juni 26, 2009

Europakarte nur mit Bahnlinien

Gestern hat meine Reisebegleiterin gesagt, wir könnten uns noch eine Europakarte kaufen. Mit allen Bahnlinien. Damit wir nachschauen können, wo wir hinfahren.

"Du meinst so etwas wie eine Strassenkarte, nur mit Bahnstrecken?", fragte ich belustigt.
"Ja genau", meinte sie.
"Ja sicher und dann schnappen wir uns die nächste Lokomotive und fahren selbst los. Wer braucht schon so eine Karte."
"Na wir halt", insisiterte meine Reisebegleiterin in spe.



Heute war ich bei Thalia. Und fragte nach etwas Handlichem über Europa. "Wissen Sie, so eine Strassenkarte, vielleicht einfach eines dieser Ringhefte." Doch die hatten alle Übergrössen und passten somit nicht in den Laptop-Rucksack, den wir uns kurz zuvor auch noch zugelegt hatten. Samsonite, 140 Franken.

"Eigentlich ist es so", meinte ich zur wirklich netten Buchhändlerin, "dass ich eine Europakarte nur mit Bahnlinien drauf bräuchte" und setzte in Gedanken noch jede Menge Pünktchen, will sagen: Gibt's ja eh nicht.

"Ah, dann brauchen Sie diese hier, von Kümmerly & Frey. Nur Bahnlinien." In der Tat, nur Bahnlinien. Dass es so was gibt. Und dachte, wer braucht das eigentlich. "Na wir!", hallte das Echo von gestern Abend.

Meine Reisepartnerin in spe war derweil in der Drogerie nebenan gewesen. Zum Glück. Ich hasse diese Diskussionen vor dem Verkaufspersonal. Ich meine so rum.

Sie meinte nur kurz "eben" mit mindestens fünf gefühlten Ausrufezeichen hintendran, als ich ihr sagte, ich hätte jetzt so eine Karte von der Eisenbahn und Europa und keine Strassen, nur Bahnlinien. Sei doch ein fantastischer Laden, dieser Thalia.


Sieht schon etwas eigenartig aus, ja fast schon exotisch, so eine Europakarte mit nicht einer Strasse drauf. Beispielsweise dieser Ausschnitt von Südspanien irgendwie unwirklich so ganz ohne Autobahn und Überlandstrassen.

Diese Landkarte muss der Traum aller Grünen sein.

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Mit dem Zug quer durch Europa

„Vielleicht, in dem man gar keine Reise macht, sondern einfach nur unterwegs ist“, habe ich gestern geschrieben. Und dazu haben meine Reisebegleiterin und ich noch als Rahmen gesetzt: Unabhängigkeit und Flexibilität. Abwechslungsreich, selbstverständlich, anregend und unterhaltsam, dabei stressfrei also ohne Gehetze. Die Zeit spüren. Slow. Und vor allem: Kein Ziel.

Beim Joggen kam mir die eigentlich naheliegende Lösung für dieses – zugegeben – Luxusproblem: Eine Bahnreise quer durch Europa.

Es gibt keinen Kontinent, der derart viel zu bieten hat, wie Europa. Jede Wette. Wir sind vor Jahren mit dem Auto (Saturday Night Fever war der Radiosong dieser Reise) und zwei Jahre später mit dem Zug von San Francisco nach New York gereist – unglaublich dieses weite Land. Die Landschaften wechseln im Dreitagetakt, die Städte kennen wir aus Popsong, interessante Leute, die etwas zu erzählen haben im Panoramawagen – über die Zugsreise habe ich eine Reportage geschrieben.

Was ich an Europa schätze, ist diese Dichte an Weltgeschichte. Du fährst beispielsweise nach Weimar, da kannst du bequem zu Fuss 200 Jahre deutsche Geschichte durchstreifen, wenn wir bei Goethe zu zählen beginnen, was sage ich deutsche: 200 Jahre Weltgeschichte.

Und diese Abfolge an unterschiedlichen Landschaften im Stundentakt. Und das Essen. Und die Kulturen. Und das Klima. Und die Menschen. Welche Vielfalt! Nein, mit Europa kann kein Kontinent mithalten.

InterRail war das Stichwort für Google. Und siehe da, die haben ein Angebot, für Leute, die schon über 26 sind, für Leute wie mich, die es komfortabel schätzen: ein Generalabo für dreissig Tage 1. Klasse, gültig in ganz Europa: 1‘327 Franken. Ausgenommen ist die Schweiz, aber weil wir gleich an der Grenze wohnen, spielt das keine Rolle.

Einsteigen wo man will, aussteigen wo man will, bleiben wo man will. Du bist unterwegs, aber du reist nirgendwo hin.

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Donnerstag, Juni 25, 2009

Einfach unterwegs sein

Ich erinnere mich an eine Aussage von C.G. Jung, mit dem ich mich in meinen frühen 20ern intensiv beschäftigt habe, über dieses weite Tal in Kenia, das sich nach einigen Strapazen vor seiner Reisegesellschaft auftat.

Sie hatte das uns allen vergönnte Glück, dass sie einen dieser schon damals nicht mehr üppig vorhandenen „weissen Flecken“ entdeckt hatte. Der Anblick muss überwältigend gewesen sein. Jungs Überlegungen gingen dahin, dass die vor ihnen liegende Landschaft erst jetzt zu existieren begonnen habe. Denn erst das menschliche Bewusstsein formt aus zufällig vorhandenen Gegenständen eine Landschaft.

Aus der Tatsache, dass die Welt entdeckt sei, folgerte Jung, das einzige Reiseabenteuer, das dem modernen Menschen bleibe, sei die Reise nach innen.

Wir reisen nirgendwo hin, auch wenn wir tausende von Kilometern weg von zuhause sind. Es sind unsere Wünsche, Hoffnungen, Erwartungen, angereichert mit Informationen aus voluminösen Reisebüchern und vorgeformt von wunderschönen Bildern der BBC, die wir am Zielort antreffen. Der Strand von Bali ist nichts ohne unsere Fantasie.

Die Frage stellt sich also, ob man losgelöst von all den Bildern der Ferienindustrie eine Reise unternehmen kann.

Vielleicht, in dem man gar keine Reise macht, sondern einfach nur unterwegs ist. Beim Joggen fand ich tags darauf die Lösung.

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Mittwoch, Juni 24, 2009

Ajurveda auf Bali - ein Traum

Gestern beim Zappen vor der Glotze bin ich bei einer Reportage über Wellness-Ferien auf Bali hängen geblieben. Da hockte dieses Ehepaar aus Stuttgart in einer grossen Holzbadewanne. Mit Badehose.

Auf der Wasseroberfläche schwammen statt gelber Gummientchen frisch gepflückte Blüten. Anschliessend ging’s zur Arjuveda-Massage, eine Stunde im Minimum. Seit der Ankunft vor einer Woche sei es schon die vierte gewesen, meldet sich die Reporterin aus dem Off.

Tags darauf traf man sich, wie jeden Tag um diese Zeit, mit den anderen Gästen zum Yoga, geleitet von einer in die Jahre gekommenen Hippie-Imitation aus Deutschland. Was die Verständigung beim Ein- und Ausatmen enorm erleichtert.

Und die Frau des Mannes war überglücklich, dass sich ihr Mann nun endlich auch mal zum Yogaturnen bewegen liess. Sonst sind ja die Frauen zumeist unter sich, wenn es um fernöstliches den-Atem-fliessen-lassen geht. Er schaute danach in der Tat sanft lächelnd in die TV-Kamera. Dann ging es wieder, siehe oben.

Drei Wochen leben, pardon, relaxen im Spa, betreut von unentwegt lächelnden Balinesen, zwischendurch einen Abstecher zu Einheimischen, dabei den Sarong über die kurzen Hosen gewickelt, wenn da nur nicht der etwas zu scharf gewürzte Mittagstisch wäre und überhaupt, was isst man da eigentlich?

Pünktlich zum Abflug nach Deutschland war das Ehepaar glücklich und relaxt und beantwortete der Reporterin höflich die Frage, die einfach gestellt werden muss am Ende einer solchen Reportage: Ja, man will die Leichtigkeit des Seins der Balinesen mitnehmen in den Alltag nach Stuttgart oder ins Dorf gleich daneben. Was weiss ich, wo genau die beiden wohnen.

Ferien im Hotel-Spa - für solche Scherze beispielsweise, kann ich mich nun wirklich nicht begeistern.

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Dienstag, Juni 23, 2009

Entspiritualisierte Pilgerschaft

Das Wort, das sehr häufig zur Zustandsbeschreibung „Reisen“ hinzugefügt wird, ist „Fieber“. „Reisefieber“ ist eine saisonale Krankheit wie die Grippe im Winter.

„Reisefieber“ trat erstmals im 17. Jahrhundert auf, als Leute, die es sich leisten konnten, dem Camino de Santiago Adios sagten und nur noch zum persönlichen Vergnügen, zur individuellen Erbauung durch die Gegend zogen. In Anlehnung an Sloterdijk könnte man von „entspiritualisierter Pilgerschaft“ sprechen.

Matthäus Merian aus Basel war ein Reisefiebriger, der aus dem neuen Erregungszustand der Europäer Kapital schlug, in Frankfurt als Verleger von Reisebüchern über den Fernen Osten. Die Erregung über Fernöstliches war zu der Zeit derart gross, dass der vermögende Adel nicht genug an Preziosen aus China bekommen konnte. Was zur Folge hatte, dass die Handelsbilanz des Importlands England mit dem damaligen Exportweltmeister China schwer in Schieflage geriet. Doch das ist eine andere Geschichte.

Im Sommer zu verreisen ist eine Selbstverständlichkeit geworden. Wobei Wunsch und Wirklichkeit zumeist auseinanderklaffen. Die Schweizer zieht es gefühlsmässig auf die Seychellen, auf Mauritius, auf die Malediven. Oben auf der Liste stehen auch die USA, Neuseeland und Australien. Doch dann fährt man wie jedes Jahr nach Italien oder Spanien oder verbringt die „schönste Zeit des Jahres“ (so ein Unsinn) im eigenen Land.

Ein Freund der Familie hat sich eben aufgemacht, für vier Wochen im Camper mit Frau und Kindern einen kleineren Kartenausschnitt Kanadas zu bereisen. „Warum macht ihr nicht so was“, fragte uns eine unserer Töchter. „War doch toll, diese Vierwochentour, damals mit der ganzen Familie der Ostküste der USA entlang.“ Stimmt, war einmalig.

Anfangs Juni waren wir reiseplanmässig an einem Tiefpunkt angelangt. Von Reisefieber weit und breit keine Spur.

Wir können ja auch zu Fuss quer durch die Alpen, wie vor zwei Jahren, diese sechs Tage auf der Via Valtellina von Schruns in Österreich über Davos ins italienische Tirano, versuchten wir uns fiebrig zu reden.

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Montag, Juni 22, 2009

Nur kurz

Ein Bekannter sagte mir heute beim Mittagessen, es sei ja durchaus interessant,was er hier lese. Aber ich solle mich doch bitte etwas kürzer fassen. Also halten wir uns dran.

Die Autotour nach Lettland, Estland und Litauen haben wir auch gestrichen. Obwohl der Reiseführer, den wir vorsorglich gekauft hatten, Interessantes versprach.

Das Problem ist die Distanz. Von Basel nach Vilnius, der Hauptstadt von Litauen, sind's immerhin 1904 Kilometer. Und zurück gerade nochmals. Gut, dann war da noch die Reisewarnung des EDA: "Taschen- und Autodiebstahl sind relativ häufig." Wir fahren eine besonders im Osten beliebte deutsche Automarke.

Da fliegen wir mal hin. Über ein verlängertes Wochenende. Oder nach Tallinn, dort soll es auch schön sein.

War das jetzt kurz genug?

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Sonntag, Juni 21, 2009

Eine erzürnte E-Mail aus Südafrika

Der Vorschlag von Leserin "su", mit dem Camper kreuz und quer zu fahren, hat was. Wir haben das Mitte der 80er-Jahre getan(man schreibt dazu jetzt immer "des letzten Jahrhunderts", was den zeitlichen Abstand noch mehr vergrössert) - also im Sommer `86 war das, als wir für zwei Monate losgefahren sind, mit drei Kindern, von Basel nach Italien und einmal rundherum, plus Abstecher nach Sizilien. Das war eine sehr intensive Familienauszeit.

Wir führten Tagebuch, haben Fotos, Eintrittstickets, Kassenbons und anderes rein geklebt und die Kinder steuerten Zeichnungen bei. Wenn wir gelegentlich sonntags beisammensitzen und nach einem ausufernden Essen mit allem Drum und Dran in unserem "Italienischen Tagebuch" blättern, dann tauchen überaus angenehme Erinnerungen auf. Und Begebenheiten und Worte des Tages (Rubrik), an die man sich inzwischen nicht mehr erinnern kann.Und der Jüngste wird sich bewusst: Es gab ein Leben vor seiner Ankunft auf diesem Planten.

Wir haben ungefähr die Hälfte der zwei Monate auf wechselnden Campingplätzen verbracht, von wegen Duschen, Kleider waschen und so, den Rest der Zeit übernachteten wir irgendwo, oftmals mitten in einer Stadt. Das war zu der Zeit noch problemlos möglich.

Einzig am letzten Tag unserer Tour, in Sils Maria, mussten wir frühmorgens um sechs 50 Franken Busse bezahlen, weil wir unseren Camper auf einem öffentlichen Parkplatz hingestellt hatten. Da wussten wir: Jetzt sind wir wieder zuhause.

Mit dem Auto vier Wochen unterwegs zu sein, war deshalb durchaus eine Option. Doch davon später.

Denn zunächst muss ich kurz auf meinen Beitrag über das Aus für Südafrika zurückkommen. Mein Schulfreund aus alten Tagen, wir nannten ihn "Petz", dabei heisst er Peter, hat mir eine ziemlich verärgerte E-Mail geschickt. Er liest über Facebook mit.

Er habe kürzlich im Fernsehen eine Reportage über die Suisse Romande gesehen, über die dortige Kriminalität. Das sei ja erschreckend. „Warum habt ihr überhaupt noch eine Armee – ihr braucht mehr Polizisten!“

Eine Reise nach Südafrika sei schliesslich mehr als das, was die Glotze biete. „Da entgehen dir all die vielfältigen Düfte des Landes, du spürst weder die morgendliche Frische noch die Wärme an Nachmittag. Du bekommst nichts mit von den „Vibes“ der Menschen, kurz – ich denke du hast einfach Schiss.“

Unterschrieben hat er seine Mail mit „Bafana Bafana, Petz". Erst seit gestern weiss ich, dass er damit die Südafrikanische Fussballnationalmannschaft gemeint hat. Man lernt nie aus.

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Freitag, Juni 19, 2009

In Gedanken beim Buena Vista Social Club

Mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Peking mit einem Abstecher nach Lhasa, die Offerte, kam per E-Mail und weil es sich um einen schweizerischen Anbieter aus Lausanne handelt, auf Englisch geschrieben.

Sauber aufgelistet hatten wir all die Tage, die in der Summe vier Wochen ergeben, als pdf-Ausdruck auf dem Küchentisch liegen. Von Tag 1 „Arrival in Moscow, Transfer at Hotel Sovietsky , depending on arrival time, Night show, Theatre, Opera or Ballet“, bis Tag 24, „Peking, End of trip“.

4‘750 Euro (Schweizer Reisebüro!) pro Person, dazu noch die Flüge Zürich – Moskau, oder eben die Bahnfahrt von Arlesheim nach Moskau und Peking – Zürich, dazu noch ein paar Visas für lumpige 280 Franken, auch pro Person.

Ich meine, die Offerte war schon okay, das Programm inklusive Grosser Mauer und Ming-Gräber in Ordnung, der Preis etwas grenzwertig. Der Abstecher in eine mongolische Jurte zu gegorener Stutenmilch und gekochtem Hammelkopf gehört halt dazu.

Doch das war nicht einfach ein Reiseprogramm, das waren 24 Tage bis ins Detail geplant, die da schriftlich auf dem Tisch lagen. Das war der Hammer.

Das ist, wie diese Jours fixes, die man in der ersten Sitzung im Januar vereinbart und fünf Minuten später ist schon wieder Dezember. Das hier waren 24 Jours fixes hintereinander, welch ein geballter Ereignismarathon.

Während eines längeren Spaziergangs der Birs entlang, diskutierten meine Reisegefährtin und ich (wir sind seit über dreissig Jahren verheiratet), was wir tun sollen. D.h. eigentlich ging es darum, mal zu formulieren, um was es bei diesen vier Wochen überhaupt geht. Where's the beef?

Eine möglichst grosse Distanz zurückzulegen, ist eigentlich kein Ziel. „Das Alleinstellungsmerkmal“ dieser vier Wochen ist: Über Zeit zu verfügen.

Sollten wir uns also für zehntausend und ein paar zerquetschte Euros unsere Frei-Tage stehlen lassen, ist Herrn Cornuz, unser E-Mail-Partner in Lausanne, etwa einer dieser "Zigarren rauchenden grauen Herren“?

Transsibirische, China und Tibet waren vom Tisch. Obwohl ich mein bescheidenes Mandarin, das ich während zwei Jahren Privatunterricht abgespeichert habe, schon mal gerne zur Sprache gebracht hätte. Sei’s drum.

Der Vorschlag eines Bekannten, wir sollten doch nach Kuba fliegen, „wer weiss, wie lange es das so noch gibt“, brachte unseren theoretischen Ansatz ein paar Tage später im Arlesheimer Bädli, bei sommerlichen Hitzewerten notabene, ins Wanken.

Zumal ein anderer, der daneben stand, einwarf, ihn reue es noch heute, dass er vor dem Mauerfall nie in die DDR gereist sei. Mich eigentlich auch. Vier Wochen Buena Vista Social Club – das wäre doch was.

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Donnerstag, Juni 18, 2009

Die Glotze - der grosse Bilderdieb

Nein, Kollega Müller, der Entscheid, Südafrika zu streichen, hat weniger mit Schiss zu tun, eher mit Unbehagen.

Aber mein eigentliches Problem ist, dass es im Grunde genommen nichts mehr zu entdecken gibt. Wo man auch hinfährt, ein Kamerateam der BBC war schon dort.

Die Glotze, der grosse Bilderdieb, hat uns gleich noch die Erlebniswelt geklaut: Chinesische Mauer – tausende Male schon gesehen. Die Wüste Gobi – glotzenmässig dutzende Male per Jeep, zu Fuss, mit dem Kamel, joggend durchquert. Taj Mahal, da war ich schon selbst. Grand Canyon dito. Diese weissen Strände mit den Palmen bis ans Meer – dieses Bild ist nun wirklich ausgelutscht, also lasst mich in Ruhe. Und wenn ich mal Elefanten, Löwen und Giraffen sehen will, dann gehe ich in den Zoo.


Denn kurz zu Elefanten, Löwen und anderem afrikanischem Getier: Ich gehöre zur Grzimek-Generation. Serengeti darf nicht sterben, in schwarz-weiss, war der Strassenfeger, als es nur zwei TV-Programme gab.

Löwengebrüll vom Tonband
Jahre später war ich mit einer Journalistengruppe auf Kosten von British Airways in Simbabwe. Arthur K. Vogel, der es bis zum Chefredaktor des Bund gebracht hat, war auch dabei. Auch er ein Grzimek-Geschädigter, weshalb er mit mir gezweifelt hat, ob das, was wir in diesem Nationalpark an Elefanten, Giraffen und Antilopen sahen, auch wirklich echt sei. Die Glotze dreidimensional – super.

„Da muss doch demnächst eine anständige Autobahn kommen“, machten wir uns hinten auf diesem Besucherjeep über die Landschaft lustig und was sage ich, es vergingen keine zehn Minuten, da fuhren wir einer autobahnbreiten Schneise entlang – und mitten drin die Überlandleitung vom Cabora-Bassa-Staudamm Richtung Hauptstadt, die damals noch Salisbury hiess. Was soll ich sagen, das Brüllen dieses Löwen spät in der Nacht kam selbstverständlich vom Tonband!

Nein, es bleibt uns nicht viel mehr, als das zu Wiederholen, was in Endlosschleifen 7/24 über den Bildschirm läuft. Abwechslung bringen nicht mal eine Entführung in der Sahara, die Schüsse in der Nacht auf das Kreuzfahrtschiff, das schlechte Essen in der Hotelanlage, die Algen im Meer.

Dornach-Arlesheim Peking einfach
Nichtsdestotrotz: Dann tauchte diese Idee auf, mit dem Zug nach Peking zu fahren. Und gleich noch die Zugsreise nach Lhasa dranhängen. Von dieser Bahnstrecke hatte ich ein paar spektakuläre Bilder gesehen.

Und mit dem tibetanischen Buddhismus hatte ich mich seinerzeit, als ich in Indien in höhere Sphären abtauchte, intensiv beschäftigt (für Kenner Bardo Thödol, all die anderen können hier klicken).

Dank Internet war ein spezialisierter Reiseanbieter rasch gefunden. Drei Tage später kam der genaue Reiseplan und ein Kostenvoranschlag per E-Mail. Die Pointe, wir werden im Bahnhof Dornach-Arlesheim einsteigen. Mit dem Zug Arlesheim - Peking einfach - das hat selbst die BBC noch nicht gemacht.

Mittwoch, Juni 17, 2009

Südafrika für eine Woche

Wenn man über vier Wochen freie Zeit verfügt, dann stellt sich, wie gesagt, die Frage – was tun damit?

Fest steht, man wird irgendwohin reisen. Zum Beispiel könnten wir endlich mal meinen Schulkameraden in Südafrika besuchen und dann noch eine Rundreise in einem Mietauto dranhängen, Nationalpark inklusive und vielleicht noch hoch nach Namibia. Ist ja auch nicht so heiss im Juli dort unten.

Diese Idee war gut für eine Woche.

Denn was weiss ich aus welchem Grund, plötzlich waren alle (gefühlt) Medien voll von Berichten, wie unsicher die Lage im Land sei.

Ach Blödsinn schrieb mir mein Schulfreund aus alten Tagen als Antwort auf eine etwas besorgte E-Mail.

Gut, Johannesburg solle man meiden. Und gewisse Gegenden in Kapstadt auch. Und die Townships sowieso. Überhaupt empfiehlt es sich, die Autotüren immer geschlossen zu halten und wenn es brenzlig wird, auch mal bei Rot über die Kreuzung zu fahren.

Er allerdings wohne in einem Viertel, das noch immer von Weissen dominiert werde, die Sicherheitslage sei völlig unbedenklich.

Gut, er habe alle Türen und Fenster, letztere sowieso vergittert, mit Signalgebern ausgestattet, die alles Verdächtige an die Security der Siedlung melden. Und während er noch ein paar andere Sicherheitsmassnahmen beschrieb, die Teil seines Lebens sind und dabei an seinen kürzlichen Besuch in der Schweiz zurückdachte, „dann wohnen wir schon irgendwie in einer Festung.“ Rund ums Haus habe es nämlich noch eine hohe Mauer.

Was ihm letzten Winter in der Schweiz aufgefallen sei: Wir würden unsere vollgepackten Einkaufstaschen über die Strasse zum Auto tragen – also das mache man in Südafrika besser nicht.

Eben. Dachte ich. Ein Auto mieten und einfach aufs Gradwohl herumzufahren für vier Wochen? Da schaue ich mir die Sicherheitsprobleme der weissen Südafrikaner lieber in der Tagesschau an. In einem dieser Einsfünzigberichte vor dem Wetter. Wenn schon.

Südafrika war vom Tisch.

Dienstag, Juni 16, 2009

Vier Wochen Zeit

Der Entscheid reifte über Wochen. Obwohl man durchaus fragen kann, was denn schon Spezielles dabei sei, sich mal vier Wochen am Stück aus dem Alltag auszuklinken.

Aber: Wenn man sich seit Jahren nie mehr soviel Zeit einräumte, vierzehn Tage also das oberste Limit für eine Pause waren, weil das Tagesgeschäft einfach nicht mehr zuliess, dann muss man zuerst mal auf eine solche Idee kommen.

Und wenn dann der Entschluss gefasst ist, gilt es das laufende Geschäft so zu planen und zu ordnen, dass das mit den vier Wochen tatsächlich auch klappt. Im April war das geregelt.

Kurz danach meldete sich diese mit der Zeit wirklich nervende Frage – und jetzt?