Samstag, Juli 18, 2009

Bordeaux, die zweigeteilte Stadt

Bordeaux, Weltkulturerbe, ist eine zweigeeilte Stadt. Auf der einen Seite arbeiten, leben und vergnügen sich die Europäer. Auf der anderen Seite die Einwanderer aus Algerien, Tunesien, Marokko und Schwarzafrika.

Die Demarkationslinie verläuft entlang des Cours d’Alscace et Lorraine, wo die neue Trambahn, die völlig unbeachtet von der Académie Française „Tramway“ heisst, die Trennlinie noch unterstreicht.

Vom Bahnhof aus hat man zu Fuss ungefähr eine halbe Stunde, um ins Stadtzentrum zu gelangen, also dorthin, wo es den Touristen in jeder Stadt als erstes zieht. Denn dort sind die Restaurants, die Läden und die kulturellen Einrichtungen zu finden.

Ins Zentrum gelangt man vom Bahnhof aus entweder in dem man der Garonne entlang geht bis zum Place de la Bourse und dann nach links schwenkt oder in dem man den Cours de la Marne entlang spaziert und beim Place de la Victoire nach rechts in die Rue St. Catherine einbiegt.

Auf dem Hinweg haben wir letztere Strecke gewählt, die zunächst durch das etwas heruntergekommene Bahnhofsviertel führt. Links und rechts finden sich ausschliesslich Döner- und Kebabrestaurants und weiter oben, gegen den Place de la Victoire ein buntes Gemisch von Läden für Mode, Elektronik und Waren für den täglichen Bedarf.

Das Strassenbild wird beherrscht von Menschen aus Nord- und Schwarzafrika. In den Schaufenstern der Kosmetiksalons werben ausschliesslich schwarze Models für die Körperpflegemittel verschiedenster Hersteller.

Diese Szenerie wechselt erst und völlig abrupt beim Course d’Alsace, den letzten fünf Minuten, die wir bis zu unserem Restaurant zurückgelegt haben. Im verkehrsfreien Einkaufsviertel sieht man praktisch nur noch Europäer, die Parfümerien zeigen ausschliesslich weisse Models und in den Restaurants und Strassencafés sind die Europäer unter sich, mal abgesehen vom Servicepersonal.

Es mag eine subjektive Interpretation sein: Mir ist das prächtige und herausgeputzte Grand Théâtre weniger wie eine Stätte des Schauspiels als vielmehr als eine Trutzburg europäischer Leitkultur vorgekommen, als eine Demonstration intellektueller und kultureller Deutungshoheit.

Auf dem Heimweg, dem Quai Richelieu entlang, der nach der Ponte de Pierre im Quai St. Croix seine Fortsetzung findet, ist dieser abrupte Wechsel der Kulturen ebenfalls deutlich sichtbar. Etwa auf der Höhe des Place Bir-Heikam, dessen Namen nicht wie man spontan vermuten könnte, die Eiwanderer aus Nordafrika ehrt, sondern an eine für das Selbstbewusstsein der geschlagenen französischen Armee so wichtigen Schlacht des Zweiten Weltkrieges.

Die Frage, die ich mir nach diesem ausgedehnten abendlichen Spaziergang gestellt haben: Wo steht eigentlich die Moschee?

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