Sonntag, Juli 12, 2009

Blues zum Schaukeln des Zugs

Als wir gestern in Arles den Zug nach Perpignan bestiegen, schätzten wir uns glücklich, 1. Klasse zu fahren. Am Bahnsteig herrschte nämlich ein grosses Gedränge und als der Zug endlich stand, bildeten sich rund um die Türen der 2. Klasse breite Trauben.

Zwar stiegen in der Tat dann auch nur wenige Passagiere in den 1. Klasse-Wagon in der Mitte des Zuges ein. Doch drinnen dann waren schon alle Sitze besetzt. Und nicht nur das. Es gab kaum ein Durchkommen, denn auch der Gang war belegt von Touristen und Gepäckstücken.

Wir drängelten und drückten uns mit unseren Koffern bis ins erste Viertel des Abteils vor, fanden ein genügend grosses Stück freier Platz im Gepäckteil über den Köpfen für unsere Koffer.

Als sich der Zug in Bewegung setzte, wurde uns klar, auf was uns die Bahnhofssprecherin tatsächlich vorbereiten wollte, als sie meldete: Schnellzug aus Strassburg und Metz.

Die Klimaanlage hatte vor der Menschenmasse resigniert. Ich wischte mir unablässig den Schweiss von der Stirn und spürte, wie mein Hemd am Rücken feucht wurde.


Ich dachte, die wenigsten hier haben wohl ein Erstklassticket, und war gleichzeitig froh darüber, dass wir keine Reservation hatten. Denn eine solche hätte in diesem Waggon soziale Unruhen ausgelöst.

Weil es jetzt eh nichts mehr zu tun gab, stöpselte ich mir die Logitechs in die Ohren und hörte Blues. Das sanfte Schaukeln des Zugs passte sich dem Rhythmus der Musik an. Dann nahm ich mein Buch aus dem Rucksack und begann zu lesen:
„Anfang Juli, es war ausserordentlich heiss, trat gegen Abend ein junger Mann aus seiner Kammer, die er in der S.-Gasse zur Untermiete bewohnte, auf die Strasse hinaus und ging langsam, als wäre er unentschlossen, auf die K.-Brücke zu.“
Eine Stunde später hatten wir zwei Sitzplätze ergattert. Kurz vor Perpignan, unser Abteil hatte sich inzwischen geleert, hat ein Zugsschaffner zwei ältere Ehepaare des Waggons verwiesen, weil sie nur 2. Klasse gelöst hatten.

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